BerHG § 1 Abs. 1 Nr. 2 BGB § 1712
Leitsatz
War das Kind im Unterhaltsverfahren bereits anwaltlich vertreten, ist es nicht zumutbar, das Kind bei einem Abänderungsantrag des Unterhaltspflichtigen zunächst auf die Inanspruchnahme des Jugendamts zu verweisen.
AG Vechta, Beschl. v. 18.10.2011 – 4 II 1355/11
1 Sachverhalt
Der Vertreter der Antragstellerin hatte die Festsetzung der Vergütung gem. § 44 RVG aufgrund gewährter Beratungshilfe für die Antragstellerin in Bezug auf Unterhaltsansprüche für ihr minderjähriges Kind beantragt. Dem zugrunde lag ein Abänderungsverlangen des Kindesvaters hinsichtlich eines im Jahre 2009 vor dem AG geschlossenen Vergleichs über Kindesunterhalt. In diesem Verfahren war dem Kind seinerzeit Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung der jetzigen Bevollmächtigten bewilligt worden.
Der Rechtspfleger hat den Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe zurückgewiesen, weil die Antragstellerin dafür die Hilfe des Jugendamtes habe in Anspruch nehmen können (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG, § 1712 BGB). Die gegen diesen Beschluss eingelegte Erinnerung, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat, hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Beratungshilfe wird gem. § 1 Abs. 1 BerHG der wirtschaftlich bedürftigen Partei dann bewilligt, wenn nicht andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtsuchenden zuzumuten ist. In der Rspr. ist grundsätzlich anerkannt, dass dem Rechtsuchen mit der beratenden Tätigkeit der Jugendämter bei den Landkreisen in Unterhaltsfragen eine solche "andere Möglichkeit" zu Verfügung steht. Das minderjährige Kind wird in Unterhaltsfragen durch den gesetzlichen Vertreter, hier durch die Antragstellerin vertreten. Diese hat gem. § 18 Abs. 1 SGB VIII nicht nur die Möglichkeit, sondern einen rechtlichen Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge einschließlich der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen des Kindes. Diese Möglichkeit muss grundsätzlich vor der Bewilligung von Beratungshilfe in Anspruch genommen werden (vgl. z.B. AG Halle [(Saale], Beschl. v. 10.2.2011 – 103/II 6317/10; AG Halle [Saale] AGS 2011, 384; AG Oldenburg [Holstein], Beschl. v. 13.5.2009 – 17 II 1042/08; AG Torgau FamRZ 2004, 1883; AG Leverkusen FamRZ 2002, 1715; AG Hannover FamRZ 1006, 351; AG Helmstedt AGS 2010, 391; AG Lahnstein JAmt 2004, 383).
Dieser Auffassung schließt sich das erkennende Gericht für die Fälle an, in denen durch das Kind erstmals Unterhaltsansprüche geltend gemacht werden. Nicht uneingeschränkt gelten kann dieser Grundsatz hingegen im Abänderungsverfahren auf Unterhalt. War das Kind im Ausgangsverfahren bereits anwaltlich vertreten, erscheint es nicht zumutbar, das Kind bei einem Abänderungsantrag des Unterhaltspflichtigen auf die Inanspruchnahme durch das Jugendamt zu verweisen. Denn die Abänderung des Unterhaltstitels kann nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht losgelöst von dem ursprünglichen Titel erfolgen. Dessen Grundlagen sind auch im Abänderungsverfahren weiter zu berücksichtigen. Der Verfahrensbevollmächtigte des Ausgangsverfahrens ist mit der Angelegenheit aber besser vertraut als das neu einzuschaltende Jugendamt. In der anwaltlichen Praxis ist es auch häufig so, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Ausgangsverfahrens von der Gegenseite als weiter bevollmächtigt angesehen und angeschrieben wird. In der Regel sind im Abänderungsverfahren komplexe Sachverhalte und Rechtsfragen zu beurteilen. So liegt der Fall auch hier. Wie dem vorgelegten außerprozessualen Schriftverkehr zu entnehmen ist, war in verschiedenen Punkten zu prüfen, inwieweit sich die Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt des Vergleiches im Ausgangsverfahren geändert haben. Es bestand deshalb ein sachlicher Grund dafür, die Hilfe der ursprünglichen Verfahrensbevollmächtigten in Anspruch zu nehmen. Der Verweis auf die Beratung durch das Jugendamt erscheint im vorliegenden Fall nicht zumutbar. Deshalb ist Beratungshilfe zu bewilligen.