SGG § 191 Hs. 1 JVEG §§ 5 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 20
Leitsatz
Besteht objektiv keine Notwendigkeit, für die An- und Abreise zur Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung ein Taxi zu benutzen, sind lediglich die Kosten für die – fiktive – Benutzung eines Privat-Pkw erstattungsfähig (Anschluss an Bayerisches LSG vom 6.10.2006 – L 14 R 476/05.Ko).
SG Karlsruhe, Beschl. v. 2.11.2011 – S 1 KO 4475/11
1 Sachverhalt
In dem beim SG Karlsruhe anhängig gewesenen Rechtsstreit war zwischen den dortigen Beteiligten die Gewährung von Versichertenrente wegen voller Erwerbsminderung aus der landwirtschaftlichen Alterssicherung über den 30.11.2008 hinaus umstritten.
Der 1959 geborene, als selbstständiger Landwirt tätig gewesene Kläger leidet u.a. an einer gemischten Angst und Depression sowie einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bei Zustand nach Non-Hodgkin-Lymphom. Die Beklagte des Hauptsacheverfahrens hatte ihm ab dem 1.9.2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte gewährt. Wegen einer von ihr angenommenen Besserung im Gesundheitszustand des Klägers hatte sie diesen Bescheid mit Wirkung ab dem 1.12.2008 aufgehoben. Auf die deswegen zum SG Karlsruhe erhobene Klage bestimmte die Kammervorsitzende nach Abschluss der Beweiserhebung (u.a. Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. N.) Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 6.7.2011, 11.00 Uhr. Zugleich ordnete sie das persönliche Erscheinen des Klägers an und wies ihn unter Beifügung eines entsprechenden Merkblatts auf die Folgen unentschuldigten Ausbleibens hin.
Zu der mündlichen Verhandlung am 6.7.2011, die um 11.00 Uhr begann und um 11.45 Uhr endete, ist der Kläger in Begleitung seines Prozessbevollmächtigten persönlich erschienen.
Nach Abschluss des Verfahrens hat der Kläger beantragt, ihm die aus Anlass der Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung entstandenen Kosten für die Fahrt mit einem Taxi von seinem Wohnort nach Karlsruhe und zurück einschließlich – Wartezeit des Taxifahrers während der Dauer der mündlichen Verhandlung – in Höhe von insgesamt EUR 150,00 zu erstatten. Die Kostenbeamtin hat die Erstattung der Taxi-Kosten abgelehnt und die Entschädigung des Antragstellers auf 23,00 EUR entsprechend der – fiktiven – Benutzung eines Privat-Pkw für 92 km zu je 0,25 EUR festgesetzt; der Kläger habe vorab weder besondere Umstände mitgeteilt, die sein persönliches Erscheinen in der mündlichen Verhandlung erheblich verteuerten, noch einen Antrag auf Genehmigung einer Beförderung mit einem Taxi gestellt.
Mit seiner dagegen eingelegten Erinnerung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, er habe mit seiner Ladung zum Gerichtstermin kein Merkblatt erhalten. Außerdem sei es ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen, selbst nach Karlsruhe zu fahren.
Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem erkennenden Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Der Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Entschädigung des Klägers seiner ihm aus Anlass der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung entstandenen Kosten und Aufwendungen ist zulässig (§ 4 Abs. 1 S. 1 JVEG). Er führt zur Festsetzung einer Entschädigung in Höhe von 23,00 EUR, wie von der Kostenbeamtin bereits verfügt. Dagegen steht ihm eine Entschädigung wegen der Aufwendungen für die Benutzung eines Taxis in Höhe weiterer 127,00 EUR gegen die Staatskasse nicht zu.
1. Der Anspruch des Klägers auf Vergütung seiner Auslagen wegen seiner Teilnahme an der mündlichen Verhandlung beim SG folgt aus § 191 Hs. 1 SGG i.V.m. den Bestimmungen des JVEG. Nach § 191, Hs. 1 SGG werden einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Unter die Vergütung "barer Auslagen" i.S.v. § 191, Hs. 1 SGG fällt unter anderem der Fahrtkostenersatz (§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 JVEG).
2. Nach § 5 Abs. 1 JVEG werden bei Benutzung von öffentlich, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäckes ersetzt. Nach Abs. 2 S. 1 Nr. 1 der genannten Vorschrift werden bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs dem Zeugen zur Abgeltung der Betriebskosten sowie zur Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeuges 0,25 EUR für jeden gefahrenen Kilometer ersetzt zuzüglich der durch die Benutzung des Kraftfahrzeugs aus Anlass der Reise regelmäßig anfallenden baren Auslagen, insbesondere der Parkentgelte. Bei der Benutzung eines sonstigen Kraftfahrzeugs, unter anderem eines Taxis, werden die tatsächlichen Auslagen bis zur Höhe der nach S. 1 genannten Fahrtkosten ersetzt (§ 5 Abs. 2 S. 3, 1. Hs. JVEG). Höhere als die in § 5 Abs. 2 JVEG bezeichneten Fahrtkosten werden ersetzt, soweit diese unter anderem wegen besonderer Umstände notwen...