Die Klägerin kann allerdings Freistellung von weiteren Rechtsanwaltskosten in Höhe von 86,62 EUR verlangen. Die Beklagte hat vorgerichtlich eine 1,3-Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von bis zu 1.500,00 EUR reguliert. Tatsächlich ist aber unter Zugrundelegung der von der Beklagten regulierten Abrechnungspositionen von einem Gegenstandswert von bis zu 2.500,00 EUR auszugehen.

Ersatzfähig ist nur eine 1,3-Geschäftsgebühr zuzüglich Kostenpauschale und Umsatzsteuer. Nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt bei Rahmengebühren wie der Geschäftsgebühr der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr – wie hier – von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 S. 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Nach Nr. 2300 VV ist die Geschäftsgebühr des Rechtsanwalts als Rahmengebühr mit einem Gebührenrahmen zwischen 0,5 bis 2,5 ausgestaltet. Eine Gebühr über 1,3 kann jedoch wegen des Nachsatzes in Nr. 2300 VV nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig, mithin überdurchschnittlich gewesen ist. Bei der Abwicklung eines "durchschnittlichen" bzw. "normalen" Verkehrsunfalls ist damit auch nur eine 1,3-Geschäftsgebühr gerechtfertigt (BGH, Urt. v. 31.10.2006 – VI ZR 261/05). Die Klägerin hat im vorliegenden Fall nicht ausreichend Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt, aus denen sich ergibt, dass die Angelegenheit schwierig oder umfangreich war. Vielmehr räumt sie selbst ein, dass es sich um einen "Durchschnittsfall" handelt.

Sie kann nicht damit gehört werden, dass eine 1,5-Gebühr als nicht unbillig hinzunehmen sei, weil eine 1,3-Gebühr angemessen sei. Es ist schon nicht ersichtlich, dass ihr Prozessbevollmächtigter überhaupt sein Ermessen i.S.v. § 14 RVG ausgeübt hat. Würde man sich schematisch der Argumentation des Kläger-Vertreters anschließen, der Anspruch auf Ersatz der 1,5-Gebühr sei schon deshalb begründet, weil eine 1,3-Gebühr angemessen ist, hätte dies zur Folge, dass ein Rechtsanwalt gegenüber seiner Mandantschaft den Regelfall stets mit einer 1,5-Gebühr abrechnen könnte, ohne darlegen zu müssen, weshalb im konkreten Einzelfall ausnahmsweise eine höhere Gebühr angemessen ist. Da somit ihr Prozessbevollmächtigter gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung einer 1,5-Gebühr hat, steht dieser auch kein solcher Anspruch gegen die Beklagte zu.

Die Klägerin hat bezüglich der Rechtsanwaltskosten mangels Zahlung nur einen Freistellungsanspruch. Zwar kann, wenn wie hier wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz geltend gemacht wird, nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB von vorneherein der dazu erforderliche Geldbetrag verlangt werden. Hiervon umfasst sind auch die erforderlich gewordenen (!) Rechtsverfolgungskosten (so ausdrücklich BGH NJW 2006, 1065 f. [= AGS 2006, 256]). Auch ist eine Rechnungsstellung nicht grundsätzlich Anspruchsvoraussetzung (BGH NJW 2011, 2509 [= AGS 2011, 423]). Jedoch kann eine fehlende Rechnungsstellung gegenüber dem Mandanten auch nicht unberücksichtigt bleiben. Denn nach § 10 RVG kann der Rechtsanwalt die Vergütung von seinem Mandanten nur einfordern, wenn er diesem eine eben solche Berechnung mitgeteilt hat. Ohne Berechnung ist der Auftraggeber nicht zur Zahlung verpflichtet und gerät auch nicht in Verzug (vgl. Madert, in: Gerold/Schmidt, RVG, Rn 12 zu § 10). Bis zur Rechnungsstellung und Bezahlung derselben hat sich im Vermögen des Mandanten insoweit daher noch kein Schaden manifestiert und sind noch keine Rechtsverfolgungskosten erforderlich geworden. Es ist deshalb nicht ersichtlich, weshalb er insoweit vom Schädiger bereits Zahlung und sogar Zinsen verlangen können sollte. Dies ist zur vollständigen Restitution nicht erforderlich, sondern würde im Gegenteil zu einem Gewinn des Geschädigten führen. Die fehlende Zahlungspflicht der Klägerin bzw. der bei ihr (noch) nicht eingetretene Schaden muss vielmehr auch der Beklagten dergestalt zugute kommen, dass die Klägerin von ihr lediglich Freistellung von der Anwaltsvergütung, nicht jedoch unmittelbar Zahlung verlangen kann (vgl. OLG München NZV 2007, 211 f. [= AGS 2006, 540]; LG München, Urt. v. 24.2.2010 – 9 S 16724/09, nachfolgend BGH NJW 2011, 2509 [= AGS 2011, 423]).

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