ZPO §§ 103 ff. RVG § 11 Abs. 2 S. 6
Leitsatz
- Eine offenkundig gesetzeswidrige Kostenentscheidung entfaltet trotz ihrer Bestandskraft keine Bindungswirkung für das Kostenfestsetzungsverfahren (hier: Belastung der unterlegenen Partei im Vergütungsfestsetzungsverfahren mit außergerichtlichen Kosten der obsiegenden Partei trotz Ausschluss der Kostenerstattung in § 11 Abs. 2 S. 6 RVG.
- Ob dies auch dann gilt, wenn es die durch die gesetzeswidrige Kostenentscheidung belastete Partei unterlassen hat, durch Einlegung von Rechtmitteln auf eine Korrektur der Entscheidung hinzuwirken, wird offen gelassen.
KG, Beschl. v. 12.1.2011 – 5 W 50/10
1 Sachverhalt
Im Ausgangsrechtsstreit hatten die Antragsgegner den hiesigen Antragsteller und dortigen Beklagten vertreten. Nach Abschluss des Rechtsstreits beantragten die Antragsgegner, die bei ihnen für die Prozessvertretung angefallenen Gebühren gem. § 11 RVG gegen den Antragsteller festzusetzen. Mit Beschluss setzte die Rechtspflegerin die vom Antragsteller an die Antragsgegner zu erstattenden Gebühren fest. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers hob der zuständige Einzelrichter des KG mit Beschl. v. 24.4.2009 den Festsetzungsbeschluss auf und wies den ihm zugrundeliegenden Festsetzungsantrag zurück.
Ferner wurde ausgesprochen, dass die hiesigen Antragsgegner – dort als Antragsteller bezeichnet – die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hätten. In den Gründen heißt es dazu, die Kostenentscheidung folge aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Hiernach beantragte der Antragsteller, die für das Tätigwerden seiner Betreuerin als Rechtsanwältin in dem Beschwerdeverfahren angefallenen Gebühren gegen die Antragsgegner festzusetzen. Die Rechtspflegerin wies den Antrag zurück, weil sich die Betreuerin in dem Beschwerdeverfahren nicht als verfahrensbevollmächtigte Rechtsanwältin gemeldet habe und keine Gebühren nach RVG abrechnen könne. Dagegen legte der Antragsteller sofortige Beschwerde ein. Er vertritt die Auffassung, dass die Tätigkeit seiner Betreuerin in dem Beschwerdeverfahren eine berufsspezifische Leistung in ihrer Eigenschaft als Rechtsanwältin dargestellt habe, für welche die Betreuerin neben ihrer Betreuervergütung Gebühren nach dem RVG beanspruchen könne.
Die Antragsgegner machen geltend, dass die Betreuerin für ihre Tätigkeit in dem vorangegangenen Beschwerdeverfahren keine Gebühren nach RVG beanspruchen könne und die Kostenentscheidung im Beschl. v. 24.4.2009 entweder gesetzeskonform auszulegen oder aber als unwirksam zu behandeln sei.
Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Rechtspflegerin hat den streitgegenständlichen Festsetzungsantrag im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
…
3. Die Frage, ob der Betreuerin vorliegend aus einem anwaltlichen Tätigwerden in dem Beschwerdeverfahren eine Gebührenforderung nach RVG gegen den Betreuten erwachsen ist, kann indes dahinstehen. Denn die im Beschluss des 1. Zivilsenates getroffene Kostenentscheidung verstößt offenkundig gegen die klare gesetzliche Vorgabe des § 11 Abs. 2 S. 6 RVG, sodass diese bezüglich der Erstattung im Beschwerdeverfahren entstandener Anwaltskosten im Kostenfestsetzungsverfahren keine Bindungswirkung zu entfalten vermag.
Im Einzelnen:
a) Eine Auslegung der Kostenentscheidung dahingehend, außergerichtliche Kosten würden schon vom Wortlaut des Tenors, jedenfalls aber vom erkennbaren Willen des entscheidenden Einzelrichters nicht erfasst, kommt nicht in Betracht. Der Wortlaut spricht die Kostentragung hinsichtlich der "Kosten des Beschwerdeverfahrens" aus und differenziert nicht zwischen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten. Eine solche Differenzierung kann auch nicht aus der Begründung der Kostenentscheidung gewonnen werden. Denn die insoweit angeführte Bestimmung des § 91 Abs. 1 ZPO erfasst insbesondere auch "die dem Gegner erwachsenen Kosten". Gegen ein Auslegungsergebnis, wonach die außergerichtlichen Kosten von der Kostentragungspflicht nicht erfasst sein sollen, spricht vorliegend schließlich, dass gerichtliche Kosten, die dem unterlegenen Gegner der erfolgreichen Beschwerde hätten auferlegt werden können – Gebühr gem. Nr. 1812 GKG-KostVerz. und gegebenenfalls Zustellungskosten (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., § 11 Rn 273) – nicht angefallen waren.
Was eine Auslegung der Kostenentscheidung nach dem wirklichen Willen des damals amtierenden Einzelrichters des 1. Zivilsenates anbelangt, schließt sich der Einzelrichter der Würdigung im Beschluss des 1. Zivilsenates vom 6.7.2010 an. Welche Rechtsfolge der seinerzeit zuständige Einzelrichter des 1. Zivilsenats seinerzeit im Kostenpunkt anordnen wollte und ob dieser Wille im Kostentenor versehentlich unvollständig zum Ausdruck gekommen ist, lässt sich in Ermangelung konkreter Anhaltspunkte im Nachhinein nicht feststellen. So erscheint es nicht fernliegend, dass der seinerzeit zuständige Einzelrichter die Ausnahmevorschrift des § 11 Abs. 2 S. 6 RVG versehentlich nicht bedacht und bezüglich der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens gar keine konkrete Entschli...