ZPO § 91 ArbGG § 12a Abs. 1
Leitsatz
- Wird ein Rechtsstreit von einem Gericht eines anderen Rechtswegs an das ArbG verwiesen, hat der Kläger die bei dem Gericht des anderen Rechtsweges entstandenen Kosten in vollem Umfange zu tragen.
- Die Erstattung ist nicht auf "Mehrkosten" beschränkt (Anschluss an BAG, Beschl. v. 1.11.2004 – 3 AZB 10/04).
LAG Köln, Beschl. v. 28.7.2010 – 12 Ta 183/10
1 Sachverhalt
Die sofortige Beschwerde des Klägers richtet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des ArbG Aachen, durch welchen gegen den Kläger Anwaltskosten der Beklagtenseite in Höhe von 5.048,46 EUR nebst Zinsen festgesetzt wurden. Der Kläger hat in getrennten Verfahren den Beklagten und seinen Sohn beim LG Aachen auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 134.205,10 EUR in Anspruch genommen. Das LG Aachen hat die beiden Verfahren verbunden und nach Durchführung eines Termins, bei welchem die beiden Beklagten durch den Beklagtenvertreter vertreten waren, an das ArbG Aachen verwiesen. Nach dem dortigen Gütetermin hat der Kläger die Klage zurückgenommen. Das ArbG Aachen hat daraufhin die Kosten des Rechtsstreits sowie die durch die Anrufung des unzuständigen LG Aachen entstandenen Kosten dem Kläger auferlegt und den Streitwert auf 134.205,10 EUR festgesetzt. Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsbehelf eingelegt worden. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss hat das ArbG Aachen die Kosten in genannter Höhe gegen den Kläger festgesetzt. Dagegen hat der Kläger sofortige Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren erster Instanz eine Kostenerstattung hinsichtlich der angefallenen Anwaltsgebühren nicht stattfinde, die beim LG angefallenen Anwaltsgebühren auch durch die Tätigkeit beim ArbG angefallen und im Übrigen verjährt seien. Auch liege keine gesonderte Kostenentscheidung über die beim LG angefallenen Kosten vor.
Die sofortige Beschwerde, der das ArbG Aachen nicht abgeholfen hat, hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. Der Festsetzung der der Beklagten durch die Anrufung des unzuständigen LG entstandenen Anwaltskosten steht zunächst nicht das Fehlen einer entsprechenden Kostenentscheidung entgegen. Insoweit übersieht der Kläger, dass ihm mit Beschluss des ArbG Aachen ausdrücklich die durch die Anrufung des unzuständigen LG Aachen entstandenen Kosten auferlegt worden sind. Der Kläger hat gegen diesen, ihm förmlich zugestellten und mit einer Rechtmittelbelehrung versehenen Beschluss keinen Rechtsbehelf eingelegt. Der Beschluss ist daher rechtskräftig.
2. Der Festsetzung der beim LG Aachen angefallenen Anwaltsgebühren gegen den Kläger steht auch nicht die Vorschrift des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG entgegen. Nach § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG besteht zwar im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG ist eine "andere Bestimmung" i.S.v. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG und bedingt die dort enthaltene Verweisung auf § 91 Abs. 1 und 2 ZPO ab. Nach § 12a Abs. 1 S. 3 ArbGG gilt S. 1 jedoch nicht für Kosten, die dem Beklagten dadurch entstehen, dass der Kläger ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit angerufen und dieses den Rechtsstreit an das ArbG verwiesen hat. Für diese Kosten ist die Erstattung vielmehr weiterhin durch § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. § 91 ZPO geregelt. Obsiegt der Beklagte, so kann er hinsichtlich der ihm vor dem ordentlichen Gericht entstandenen Kosten Erstattung verlangen. Gem. § 91 Abs. 2 ZPO sind dabei die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts immer zu erstatten. Sie sind damit dem Einwand entzogen, sie seien zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht notwendig gewesen (§ 91 Abs. 1 ZPO) (zum Ganzen: BAG, Beschl. v. 1.11.2004 – 3 AZB 10/04).
3. Die somit nach der erfolgten Klagerücknahme nach dem rechtskräftigen Beschluss des ArbG Aachen zu erstattenden Kosten der Anrufung des unzuständigen Gerichts umfassen entgegen der Auffassung des Klägers auch die gesamten dort angefallenen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der Beklagten. Dies entspricht der am Wortlaut und der Systematik des Gesetzes ausgerichteten Auslegung von § 12a Abs. 1 S. 3 ArbGG (BAG, Beschl. v. 1.11.2004 – 3 AZB 10/04, NZA 2005, 429; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 15.8.2006 – 12 Ta 392/06; Hessisches LAG, Beschl. v. 30.7.2009, 13 Ta 360/09; LAG Köln, Beschl. v. 3.1.2008 – 8 Ta 377/07). Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, die von der Beklagten beantragte Kostenfestsetzung und Kostenerstattung habe auszuscheiden, weil für ihn vor dem ArbG derselbe Prozessbevollmächtigte tätig geworden sei und daher "Mehrkosten" durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts gar nicht entstanden seien, ist dem nicht zu folgen. Es ist zwar früher teilweise die Auffassung vertreten worden, es könne nur die Differenz zwischen den Kosten, die dem Beklagten im Rechtsstreit tatsächlich entstanden seien, und denjenigen, die ihm bei sofortiger Anrufung des zuständigen Gerichts entstanden wären, ...