FamFG § 113 Abs. 1 S. 2 ZPO § 128 RVG VV Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104
Leitsatz
In Familienstreitsachen erhält der Anwalt auch dann eine Terminsgebühr, wenn das Gericht im schriftlichen Vorverfahren einen Versäumnisbeschluss erlässt.
OLG Hamm, Beschl. v.14.6.2011 – 6 WF 178/11
1 Sachverhalt
In einer Unterhaltssache hatte das Gericht nach Eingang der Antragsschrift gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 276 ZPO das schriftliche Vorverfahren angeordnet und nach fruchtlosem Ablauf der Anzeige zur Verteidigungsbereitschaft gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 331 Abs. 3 ZPO einen Versäumnisbeschluss erlassen. Der dem Kläger im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte beantragte anschließend die Festsetzung seiner Vergütung gegenüber der Landeskasse, darunter auch einer 0,5-Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3105 VV. Der Urkundsbeamte setzte die Terminsgebühr ab, da diese nicht im schriftlichen Verfahren anfallen könne. Aus der entsprechenden Anwendung des § 128 ZPO (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG) ergebe sich, dass eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben sei. Vorgeschrieben sei nach § 128 ZPO nur eine mündliche Verhandlung, wenn durch Urteil entschieden werde. Da hier aber durch Beschluss zu entscheiden sei (§ 116 FamFG), sei eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben (§ 128 Abs. 4 ZPO), sodass auch eine Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV nicht anfallen könne. Die Erinnerung wurde zurückgewiesen. Die Beschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist abzuändern. Die der Antragstellerin entstandenen und vom Antragsgegner an ihren Anwalt zu erstattenden außergerichtlichen Kosten umfassen auch die geltend gemachte Terminsgebühr, da (auch) eine solche Gebühr angefallen ist.
Zwar wird durch den Antrag auf Erlass einer Versäumnisentscheidung im schriftlichen Vorverfahren (§§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 331 Abs. 3 ZPO) eine Terminsgebühr nur in Verfahren mit obligatorischer mündlicher Verhandlung ausgelöst (Anm. Abs. 2 zu Nr. 3105 VV i.V.m. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV). Ein solches Verfahren liegt nach der Rspr. des Senats (Beschl. v. 25.10.2010 – II 6 WF 356/10, AGS 2011, 172) hier jedoch vor.
In sog. Familienstreitsachen (§ 112 FamFG), zu denen auch Unterhaltssachen (§ 231 Abs. 1 FamFG) gehören, hat erstinstanzlich gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V. § 128 Abs. 1 ZPO grundsätzlich eine mündliche Verhandlung stattzufinden (Keidel-Weber, FamFG, 16. Aufl., Rn 7 zu § 113). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass gem. § 116 Abs. 1 FamFG in Familiensachen durch Beschluss zu entscheiden ist und dass gem. § 128 Abs. 4 ZPO Entscheidungen, die nicht Urteile sind, ohne mündliche Verhandlung ergehen können, soweit nichts anderes bestimmt ist. § 128 Abs. 4 ZPO bezieht sich nicht auf die erste Instanz abschließende Endentscheidungen (so offenbar auch: Weber a.a.O.).
Bei der vorzunehmenden Abänderung des erstinstanzlichen Kostenfestsetzungsbeschlusses hat der Senat berücksichtigt, dass der der Antragstellerin beigeordnete Rechtsanwalt auch gegen die Landeskasse einen Anspruch auf Festsetzung einer Terminsgebühr (in Höhe von 123,00 EUR) zzgl. Umsatzsteuer hat und insoweit der gegen den Antragsgegner gerichtete Kostenerstattungsanspruch auf die Landeskasse übergeht. Der gegen den Antragsgegner selbst gerichtete Kostenerstattungsanspruch des beigeordneten Anwalts erhöht sich deshalb nur um weitere (263,00 EUR -123,00 EUR = 140,00 EUR + 26,60 EUR Umsatzsteuer =) 166,60 EUR auf 599,77 EUR.
3 Anmerkung
Die Ausführungen des Gerichts sind zutreffend, haben mit dem Fall jedoch nichts zu tun. Hier war – aufgrund der Verweisung des § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG – nach § 331 Abs. 3 ZPO ein Versäumnisbeschluss ergangen. Nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3105 VV entsteht in diesem Fall eine 0,5-Terminsgebühr. Ob im Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, ist im Fall der Nr. 3105 VV unerheblich. Nur Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV stellt auf ein Verfahren mit obligatorischer mündlicher Verhandlung ab, nicht aber auch Nr. 3105 VV.
Abgesehen davon ist einhellige Auffassung, dass in Familienstreitsachen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Ergeht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, also im Falle eines Anerkenntnisses (§ 113 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 307 ZPO) oder im Einverständnis mit den Beteiligten (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 128 Abs. 2 ZPO), so entsteht für den Anwalt die Terminsgebühr. Gleiches gilt, wenn die Beteiligten in einem solchen Verfahren einen schriftlichen Vergleich schließen.
In Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist dagegen zu differenzieren. Soweit das Gesetz keine mündliche Erörterung vorsieht, kann bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung auch keine Terminsgebühr anfallen. Ist dagegen eine mündliche Erörterung vorgeschrieben, so ist strittig, ob eine Terminsgebühr anfällt. Das KG lehnt in diesem Fall eine Terminsgebühr ab, weil die Voraussetzungen der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV nicht gegeben seien. Das OLG Stu...