Auslegungsfragen prägen seit jeher den Alltag, vor allem aber denjenigen der Juristen. Deshalb ist ihre Beantwortung zur Fortbildung von Recht und Gesetz nicht mehr hinweg zu denken. Sie entstehen oft durch unzureichende Gesetzesbegründungen, teils auf der Grundlage seitens des Gesetzgebers bereits im Vorfeld nicht zu Ende gedachter, teils gar nicht erinnerter Zusammenhänge. Sie drängen sich zuweilen auch durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und Ungenauigkeiten in Gesetzesformulierungen etc. auf, was letztendlich die richterliche Systematik hervorgebracht hat, hin und wieder Rechtssachen im Einzelfall grundsätzliche Bedeutung beizumessen. Dies scheint immer dann für sachgerecht gehalten zu werden, wenn eine Auslegungsfrage besonders weise und vorausschauend beantwortet werden konnte. Denn es soll stets dem wirklichen Willen des Gesetzgebers zur Transparenz verholfen und dadurch eine richtige Gesetzesanwendung ermöglicht werden. Korrekturen sind insbesondere dann möglich, wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rspr. eine Entscheidung im Sinne der Rechtsklarheit einfordert.
Aber es geht auch anders. Unser ehrwürdiger BGH zeigt, dass selbst unmissverständliche gesetzliche Vorlagen noch zu einer – eigenen – Auslegung taugen.
Der V. Zivilsenat des BGH distanziert sich von diesen zumindest seit römischen Zeiten geltenden Grundsätzen und kreiert einen Streit auf der Grundlage eines eindeutigen Gesetzeswortlauts, einer klaren Gesetzesbegründung und einer nicht im Ansatz misszuverstehenden gesetzlichen Systematik und Teleologie. Er hatte bereits durch seine am 1.2.2007 (AGS 2007, 298) und am 15.3.2007 (AGS 2007, 397) verkündeten Entscheidungen einen vom Gesetz weit entfernten Stein ins Rollen gebracht, wonach eine Terminsgebühr für Besprechungen mit dem Gegner zur Erledigung eines Verfahrens nur dann entstehen können solle, wenn für das Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei. Damit hat er ein nicht existierendes Tatbestandsmerkmal in die Vorbem. 3 Abs. 3, 3. Var. VV hineingelesen, das der Gesetzgeber nicht zur Voraussetzung machen wollte, und die Vorschrift damit konterkariert. Die Entscheidungen des BGH wären gut zwei Jahre nach Inkrafttreten des RVG ob der recht neuen Materie noch entschuldbar gewesen, weil häufig erst durch eine von Erfahrung geprägte längerfristige Anwendung eines neuen Gesetzes Problematiken und Erkenntnisse aufzeigt werden, die es notwendig machen, eine Rechtsmeinung auch wieder aufzugeben.
Diese Möglichkeit zur Vornahme einer entsprechenden Korrektur hat der XII. Zivilsenat des BGH leider vertan und den rollenden Stein des V. Zivilsenats fast fünf Jahre später zementiert: Mit seiner Entscheidung vom 2.11.2011 (S. 10 in diesem Heft) bestätigt der BGH das OLG München im Ergebnis zwar zutreffend und geht davon aus, dass eine Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3, 3. Var. VV auch in solchen Verfahren anfallen kann, in denen eine mündliche Verhandlung (nur) für den Fall vorgeschrieben ist, dass eine Partei sie beantragt. Nach seiner so auch falsch verstandenen verfahrensrechtlichen Ausgangslage in einstweiligen Anordnungsverfahren kam es deshalb auf die allein aus Sicht des BGH umstrittene Frage, ob die in Vorbem. 3 Abs. 3, 3. Var. VV geregelte Terminsgebühr auch in Verfahren entstehen kann, in denen eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist, nicht an. Dies sollte daher ausdrücklich "offen bleiben".
Ungeachtet dieser eigenen Vorgabe verfällt der XII. Zivilsenat dann aber doch seitenlang in die zutreffende Wiedergabe der offenbar seine, jedenfalls die des V. Zivilsenats argumentativ leicht aushebelnde und allein zutreffende Gegenauffassung, um schließlich abermals festzustellen, dass eine Streitentscheidung deshalb dahin stehen könne, weil im einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 644 i.V.m. § 620b Abs. 2 ZPO a.F. eine mündliche Verhandlung jedenfalls für den Fall vorgeschrieben sei, dass eine Partei sie beantragen würde, und deshalb nach jeder Auffassung die Terminsgebühr für Besprechungen mit dem Gegner zur Erledigung des Verfahrens anfalle.
Dass die Formulierung des BGH in seinem Beschl. v. 2.11.2011, "ob angesichts der aufgezählten Bedenken der letztgenannten Auffassung der Vorzug zu geben sei ...", eine Loslösung von der Auffassung des V. Zivilsenats intendiert, bleibt Wunschvorstellung, solange keine eindeutige Abgrenzung verkündet wird. Dazu hat dem XII. Zivilsenat nämlich offenbar der Mut gefehlt. Um einer falschen Praxis Einhalt zu gebieten, wäre die deutliche Distanzierung vom V. Zivilsenat aber erforderlich gewesen. Die Möglichkeit dazu hätte der BGH deshalb ergreifen können, weil bereits nicht feststeht, dass einstweilige Anordnungsverfahren als solche angesehen werden können, für die eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Denn beispielsweise ist in Verfahren, die auf die Abänderung einer einstweiligen Anordnung gerichtet sind, eine mündliche Verhandlung nur für den Fall vorgeschrieben, dass in dem Verfahren auf E...