ZPO § 788 Abs. 1
Leitsatz
Wird ein Vergleich unter dem Vorbehalt des Widerrufs geschlossen, so läuft die dem Schuldner einzuräumende angemessene Zahlungsfrist nicht schon mit Abschluss des Vergleichs, sondern erst mit Ablauf der Widerrufsfrist.
LG Lübeck, Beschl. v. 13.9.2011 – 7 T 211/11
1 Sachverhalt
Mit Schriftsatz vom 14.2.2011, der am 15.2.2011 bei der Gerichtsvollzieherverteilungsstelle des AG einging, erteilte die Gläubigerin wegen einer Hauptforderung von 5.000,00 EUR zuzüglich Kosten einen Zwangsvollstreckungsauftrag. Zugrunde lag ein Vergleich vor dem LG Lübeck, der im Termin am 27.1.2011 geschlossen worden und den Schuldnern am 8.2.2011 zugestellt worden war.
Mit Schriftsatz vom 15.2.2011 teilte die Gläubigerin mit, die Schuldner hätten mit Wertstellung 12.2.2011 einen Betrag von 5.000,00 EUR auf ihr Konto überwiesen. Der entsprechende Kontoauszug stamme vom 11.2.2011 und sei ihr erst heute per Post zugegangen. Insoweit wurde die Forderungsaufstellung aktualisiert und nur noch um Vollstreckung des Restbetrages gebeten.
Unter dem 20.2.2011 wies der zuständige Obergerichtsvollzieher den Auftrag zurück, weil die entstandenen Kosten nicht notwendig i.S.d. § 788 ZPO seien. Die Zahlung sei bereits vor Erteilung des Vollstreckungsauftrages erfolgt.
Mit Schriftsatz vom 24.2.2011 ließ die Gläubigerin Erinnerung mit dem Ziel einlegen, den Obergerichtsvollzieher anzuweisen, die Kosten der Zwangsvollstreckung (257,90 EUR) einschließlich der von ihm berechneten 15,50 EUR i.S.d. Auftrages vom 14.2.2011 beizutreiben. Nach dem Vergleich sei der Betrag von 5.000,00 EUR fällig gewesen, wenn nicht der Rücktritt bis zum 3.2.2011 erfolge. Eine Zustellung des Titels sei für die Fälligkeit der Forderung nicht erforderlich gewesen. Sie habe unter dem 3.2.2011 den Anwälten der Schuldner schriftsätzlich mitgeteilt, auf einen Rücktritt zu verzichten und einem Zahlungseingang bis zum 10.2.2011 (Freitag) entgegen zu sehen. Eine Wochenfrist für einen sofort fälligen Betrag sei mehr als angemessen. Bei Auftragserteilung hätten sich die Schuldner im Verzug befunden.
Die Vollstreckungsrichterin hat die Erinnerung mit Beschl. v. 9.5.2011 zurückgewiesen. Die Kosten seien nicht notwendig i.S.d. § 788 ZPO gewesen. Die gesetzte Zahlungsfrist sei zu kurz gewesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen, der der Gläubigerin am 11.5.2011 zugestellt worden ist.
Mit ihrer am 25.5.2011 eingegangenen (sofortigen) Beschwerde verfolgt die Gläubigerin ihr Ansinnen weiter. Es habe für die gut situierten Schuldner kein Problem darstellen dürfen, den Betrag von 5.000,00 EUR bereitzustellen. Der Betrag sei sofort fällig gewesen, die Setzung einer Nachfrist sei nur aus Kulanzgründen erfolgt. Ein Eingang des Betrages bis zur gesetzten Frist sei nicht zu verzeichnen gewesen.
Die nach § 793 ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde, der das Vollstreckungsgericht abgeholfen hat, hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Vollstreckungsrichterin hat die Erinnerung zu Recht zurückgewiesen. Insoweit kann zunächst auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden.
Die sofortige Beschwerde übersieht, dass die Fälligkeit eines Betrages noch nicht besagt, dass zu seiner Beitreibung die Zwangsvollstreckung erforderlich ist. Ob Kosten i.S.d. § 788 Abs. 1 ZPO "notwendig" waren, bestimmt sich nach dem Standpunkt des Gläubigers zu dem Zeitpunkt, in dem die Kosten durch die Vollstreckungsmaßnahme verursacht sind (BGH NJW-RR 2003, 1581 [= AGS 2003, 561]; Zöller/Stöber § 788 Rn 9a). Bereits in der zitierten Entscheidung des BGH heißt es, dass dem Schuldner zuvor ein angemessener Zeitraum zur freiwilligen Erfüllung zur Verfügung gestanden haben muss. Dies baut auf BVerfG NJW 1999, 778 auf, wo ausdrücklich ausgeführt wird, einem Schuldner müsse Gelegenheit gegeben werden, die Zwangsvollstreckung durch freiwillige Leistung abzuwenden. Hierzu müsse eine angemessene Frist gewährt werden, deren Länge sich nach den Umständen des Einzelfalles richtet.
In Anwendung dieser Grundsätze war der Vollstreckungsantrag, der am 15.2.2011 gestellt worden ist (Eingang bei der Verteilerstelle für Gerichtsvollzieheraufträge), verfrüht. Dies zeigt sich schon daran, dass das geschuldete Geld sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Konto der Gläubigerin befunden hat. Angesichts der Widerrufsfrist im Vergleich konnte erst nach Ablauf der Frist feststehen, dass der Betrag fällig wird. Selbst wenn unter dem 3.2.2011 mitgeteilt worden ist, dass darauf verzichtet werde, den Vergleich zu widerrufen und die Fälligkeit damit eintrat, musste den Schuldnern ein angemessener Zeitraum verbleiben, ihre Verbindlichkeit freiwillig zu begleichen. Angesichts einer durch Vergleich begründeten Verbindlichkeit bestand dabei kein Anlass anzunehmen, die Schuldner müssten im Wege der Zwangsvollstreckung zur Zahlung angehalten werden. Dies gilt umso mehr, als die Gläubigerin die Schuldner selbst als zahlungsfähig beschreibt. Es sind zudem Banklaufzeiten und gewisse Vorlaufzeiten für die Anweisung des Geldbe...