RVG § 3a RVG VV Vorbem. 3 Abs. 4; Nrn. 2300, 2301

Leitsatz

  1. Eine Geschäftsgebühr für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Vergabeverfahren ist dann nicht zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des Beschwerdeverfahrens anzurechnen, wenn die obsiegende Partei mit ihrem Prozessbevollmächtigten für dessen vorgerichtliche Tätigkeit eine zulässige Pauschalhonorarvereinbarung getroffen hat.
  2. Hat der Bieter mit seinem Verfahrensbevollmächtigten eine Vergütungsvereinbarung geschlossen, sind bei der Kostenfestsetzung die Honorare des Verfahrensbevollmächtigten im Verfahren vor der Vergabekammer bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen erstattungsfähig.
  3. Haben die Verfahrensbevollmächtigten des Bieters diesen bereits im Vergabeverfahren vertreten, bemisst sich eine im späteren Verfahren vor der Vergabekammer festsetzbare Geschäftsgebühr nicht nach Nr. 2300 VV, sondern nach Nr. 2301 VV.

OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.2.2012 – Verg W 5/11

1 Sachverhalt

Die Antragstellerin hatte einen Nachprüfungsantrag betreffend die von dem Auftraggeber durchgeführte Ausschreibung gestellt. Die Vergabekammer hatte den Antrag zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat der Vergabesenat den Beschluss der Vergabekammer aufgehoben und den Auftraggeber verpflichtet, die Wertung der Angebote in dem Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Vergabesenates zu wiederholen. Die Gebühren und Auslagen des Verfahrens vor der Vergabekammer hat der Vergabesenat dem Auftraggeber auferlegt und angeordnet, dass der Auftraggeber der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung vor der Vergabekammer notwendigen Auslagen zu erstatten hat. Ferner hat er die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig erklärt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde hat der Vergabesenat dem Auftraggeber auferlegt.

Mit Kostenfestsetzungsantrag hat die Antragstellerin Kosten und Auslagen i.H.v. insgesamt 5.366,85 EUR zur Festsetzung angemeldet, darunter eine 2,3-Geschäftsgebühr im Verfahren vor der Vergabekammer i.H.v. 2.240,20 EUR. Sie hat unter Vorlage einer Vergütungsvereinbarung vom 19.11.2010 geltend gemacht, dass eine Geschäftsgebühr mangels Entstehung nicht anzurechnen sei.

Die Rechtspflegerin hat die von dem Auftraggeber zu erstattenden Kosten und notwendigen Auslagen auf insgesamt 3.871,00 EUR festgesetzt. Bei den im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen Kosten hat die Rechtspflegerin lediglich eine 1,0-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2301 VV i.H.v. 974,00 EUR sowie ein Tage- und Abwesenheitsgeld für einen Zeitaufwand von bis zu drei Stunden festgesetzt. Bei den im Verfahren vor dem Vergabesenat entstandenen Kosten hat die Rechtspflegerin von der angemeldeten 1,6-Verfahrensgebühr eine Gebühr von 0,65 gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV i.H.v. 492,70 EUR zum Abzug gebracht und hinsichtlich der angemeldeten Fahrtkosten der Antragstellerin für die Teilnahme am Termin vor dem Vergabesenat lediglich einen Betrag i.H.v. 37,65 EUR berücksichtigt.

Dagegen richtet sich die Erinnerung der Antragstellerin, der die Rechtspflegerin teilweise abgeholfen hat, soweit es den angemeldeten Zeitaufwand für den Termin vor der Vergabekammer und die Reisekosten für den Termin vor dem Vergabesenat betrifft. Auf die Verfahrensgebühr im Beschwerdeverfahren hat die Rechtspflegerin die Geschäftsgebühr Nr. 2301 VV i.H.v. 0,5 angerechnet. Im Übrigen hat die Rechtspflegerin der Erinnerung nicht abgeholfen und dem Vergabesenat zur Entscheidung vorgelegt.

2 Aus den Gründen

Die als Erinnerung zu behandelnde sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gem. § 120 Abs. 2 i.V.m. §§ 78 S. 3 GWB, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 u. Abs. 2 ZPO, 11 Abs. 2 RPflG, 569 Abs. 1 ZPO zulässig.

In Fällen, in denen der Rechtspfleger beim Beschwerdegericht in entsprechender Anwendung von § 104 Abs. 1 S. 1 ZPO die in dem Verfahren vor der Vergabekammer sowie in dem Beschwerdeverfahren gem. den §§ 116 ff. GWB entstandenen Kosten festgesetzt hat, ist gegen diese Entscheidung nicht die sofortige Beschwerde, sondern die Erinnerung gem. §§ 567 ZPO, 11 Abs. 1 u. Abs. 2 RPflG statthaft (vgl. BGH NJW 2010, 76). Danach hat der Senat über die Erinnerung zu befinden, soweit der Rechtspfleger der Erinnerung nicht abhilft und sie dem Senat zur Entscheidung vorlegt.

Die Erinnerung ist, soweit die Rechtspflegerin ihr nicht abgeholfen und in diesem Umfang den Senat zur Entscheidung vorgelegt hat, teilweise begründet.

1. Die von der Rechtspflegerin von der Verfahrensgebühr des Beschwerdeverfahrens im Hinblick auf die Vorbem. 3 Abs. 4 VV in Abzug gebrachte hälftige Geschäftsgebühr i.H.v. 379,00 EUR ist nicht anzurechnen. Zwar ist grundsätzlich die Regelung in Vorbem. 3 Abs. 4 VV, wonach die entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird, auch bei der Kostenfestsetzung für das Beschwerdeverfahren vo...

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