ZPO § 91 GeschmMG § 51 Abs. 1, 4
Leitsatz
Handelt es sich bei dem Erkenntnisverfahren um eine Streitsache nach dem GeschmMG, gilt dies nicht automatisch auch für das sich anschließende Zwangsvollstreckungsverfahren. Es ist vielmehr im Einzelfall zu prüfen, ob es der vom Gesetzgeber für das Erkenntnisverfahren fingierten besonderen Sachkunde des Patentanwalts auch im Rahmen der Vollstreckung des Anspruchs bedarf.
OLG Köln, Beschl. v. 15.8.2012 – 17 W 135/12
1 Sachverhalt
Die Antragstellerin hatte gegen die Antragsgegnerin im Ausgangsrechtsstreit (Geschmacksmustersache) eine einstweilige Verfügung des LG erwirkt, wonach der Antragsgegnerin der Vertrieb bestimmter zahntechnischer Produkte (Veneers) untersagt wurde und sie Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der von ihr vertriebenen Produkte zu erteilen hatte.
Die Antragstellerin beantragte nach Abschluss des Erkenntnisverfahren gem. § 888 ZPO die Verhängung eines Zwangsgeldes gegen die Antragsgegnerin, da diese ihrer Auskunftsverpflichtung nicht bzw. nicht vollständig nachgekommen sei. Das LG hat nach der Erteilung von Auskünften durch die Antragsgegnerin festgestellt, dass das Zwangsgeldverfahren in der Hauptsache erledigt sei und hat der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Die Antragstellerin hat zur Kostenfestsetzung im Zwangsvollstreckungsverfahren angemeldet:
eine 0,3-Verfahrensgebühr ihrer anwaltlichen Bevollmächtigten gem. Nr. 3309 VV in Höhe von |
227,40 EUR |
eine 0,3-Verfahrensgebühr gem. § 52 Abs. 4 GeschmMG i.V.m. Nr. 3309 VV für die Mitwirkung ihrer Patentanwälte i.H.v. ebenfalls |
227,40 EUR |
sowie jeweils Kostenpauschalen in Höhe von 20,00 EUR |
40,00 EUR |
Diese Kosten (insgesamt 494,80 EUR) sind von der Rechtspflegerin antragsgemäß festgesetzt worden.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, soweit Gebühren für die Mitwirkung der Patentanwälte angesetzt worden sind. Sie macht geltend, bei dem Zwangsvollstreckungsverfahren habe es sich nicht um eine Geschmacksmustersache gehandelt. Die tatsächliche Mitwirkung der Patentanwälte sei auch weder dargetan worden noch notwendig gewesen.
Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Rechtspflegerin hat die von der Antragstellerin geltend gemachte Verfahrensgebühr für die Einschaltung ihrer Patenanwälte – und damit auch die Kostenpauschale – zu Unrecht festgesetzt. Eine Kostenerstattungspflicht der Antragsgegnerin folgt vorliegend weder aus § 52 Abs. 4 GeschmMG noch hat die Antragstellerin dargelegt, dass die Mitwirkung ihrer Patentanwälte aus Gründen besonderer Sachkunde erforderlich war.
1. § 52 Abs. 4 GeschmMG bestimmt, dass von den Kosten, die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts in einer Geschmacksmusterstreitsache entstehen, die Gebühren nach § 13 RVG des RVG und außerdem die notwendigen Auslagen des Patentanwalts zu erstatten sind. Nach einhelliger Ansicht in der Rspr. und Kommentarlit. ist der Begriff der Geschmacksmustersache – ebenso wie der der Marken-, Gebrauchsmuster- und Patentsache – weit auszulegen (vgl. Eichmann/von Falckenstein, GeschmMG, 4. Aufl., § 52 Rn 10, Günther/Beierlein, GeschmMG, 2. Aufl., § 52 Rn 15, jeweils m. w. Nachw.). Daraus folgt indes kein Automatismus in dem Sinne, dass jedes einem Erkenntnisverfahren nachfolgende Zwangsvollstreckungsverfahren ebenfalls eine Geschmacksmusterstreitsache darstellt. Es ist vielmehr im Einzelfall zu prüfen, ob es der vom Gesetzgeber für das Erkenntnisverfahren fingierten besonderen Sachkunde des Patentanwalts auch im Rahmen der Vollstreckung des Anspruchs bedarf. Das wird in der Rspr. etwa in den Fällen anerkannt, in denen es gem. § 890 ZPO um die Durchsetzung einer Unterlassungsverfügung geht. Denn hier besteht die nicht nur abstrakte Gefahr, dass die Parteien über den objektiven Umfang der titulierten Verpflichtung aus einer Patent-, Gebrauchsmuster-, Geschmacksmuster- oder Markensache streiten (vgl. OLG München, Beschl. v. 17.6.2005 – 6 W 1198/05, GRUR-RR 2006, 68). Auch bei der Herausgabevollstreckung zur Sicherung des Anspruchs auf Vernichtung patentverletzender Gegenstände kann die Mitwirkung eines Patentanwalts in kostenrechtlicher Hinsicht Anerkennung finden, wenn nämlich die titulierte Herausgabeanordnung so unbestimmt gefasst ist, dass es im Einzelfall einer besonderen Sachkunde bedarf, um die Verletzungsgegenstände eindeutig zu identifizieren (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.1.2010 – 2 W 69/09, GRUR-RR 2010, 405).
Grundsätzlich anders liegen die Dinge indes bei der Vollstreckung einer Auskunftsverpflichtung bezüglich der Herkunft und des Vertriebsweges der in Rede stehenden Produkte. Es geht dem Berechtigten in diesen Fällen ausschließlich um die Erlangung von Angaben, die keinen technischen Hintergrund aufweisen. Die Notwendigkeit der Mitwirkung des Patentanwalts bei der Durchsetzung solcher Ansprüche ist daher – jedenfalls in der Regel – nicht ersichtlich.
Das vorliegende Zwangsvollstreckungsverfahren erfüllt nach dem Gesagten nicht die Voraussetzungen einer geschmacksmusterrechtlichen Streitig...