ZPO §§ 91 Abs. 1 S. 1, 788 Abs. 1, 2
Leitsatz
Die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Avalbürgschaft, die der Gläubiger beibringt, um die Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil zu ermöglichen, hängt nicht davon ab, dass dem Schuldner zuvor eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels zugestellt wurde. Vielmehr reicht es grundsätzlich aus, dass der Gläubiger im Zeitpunkt der Kosten auslösenden Maßnahme im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels ist und der Schuldner in Kenntnis seiner unbedingten Zahlungsverpflichtung einen Zeitraum von 14 Tagen zur freiwilligen Erfüllung der titulierten Forderung hat verstreichen lassen (Fortführung von BGH, Beschl. v. 18.7.2003 – IXa ZB 146/03, NJW-RR 2003, 1581, 1582 [= AGS 2003, 561]).
BGH, Beschl. v. 4.10.2012 – VII ZB 11/10
1 Sachverhalt
Unter dem 8.1.2008 verurteilte das LG die Schuldnerin, 41.506,70 EUR nebst Zinsen an die Gläubiger zu zahlen. Das vorläufig vollstreckbare Urteil wurde den damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin am 11.1.2008 zugestellt. Nachdem den Gläubigern am 18.1.2008 eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils erteilt worden war, beauftragten sie am 28.1.2008 den Gerichtsvollzieher mit der Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO. Am 29.1.2008 erhielten die Gläubiger zur Durchführung der endgültigen Zwangsvollstreckung eine Bankbürgschaft. Unter dem 31.1.2008 beauftragten sie den Gerichtsvollzieher unter Nachweis der Bürgschaft mit der endgültigen Vollstreckung. Die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils wurde der Schuldnerin am 6.2.2008 zugestellt. Sie bezahlte die titulierten Forderungen am 7.2.2008.
Das AG – Vollstreckungsgericht – hat die Kosten der Bankbürgschaft auf Antrag der Gläubiger als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung angesehen und durch Beschl. v. 23.1.2009 gem. § 788 Abs. 2 ZPO gegen die Schuldnerin festgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Schuldnerin hat das Beschwerdegericht den Beschluss aufgehoben und den Festsetzungsantrag der Gläubiger zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möchten diese die Entscheidung des AG wiederhergestellt wissen.
Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, die Schuldnerin müsse die Kosten einer von den Gläubigern zur vorläufigen Vollstreckung des zugrunde liegenden Schuldtitels beigebrachten Bürgschaft nicht tragen. Es handele sich nicht um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.d. § 788 ZPO, weil die Gläubiger die endgültige, auf die Befriedigung ihrer Forderungen abzielende Vollstreckung voreilig zu einem Zeitpunkt eingeleitet hätten, in dem die vollstreckbare Ausfertigung des Titels noch nicht zugestellt und bei laufender Rechtsmittelfrist noch keine Berufung eingelegt gewesen sei. Bei dieser Sachlage hätten die Gläubiger Gründe für die besondere Eilbedürftigkeit der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen darlegen müssen. Solche Gründe seien indes weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht die Beschaffung einer Bürgschaft wegen der von ihm festgestellten besonderen Umstände des Streitfalles als nicht notwendig i.S.d. § 788 Abs. 1 S. 1, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO angesehen und schon deshalb die hierdurch angefallenen Kosten insgesamt für nicht erstattungsfähig gehalten.
a) Das Beschwerdegericht geht, ebenso wie die Parteien, davon aus, dass die Beschaffungskosten für eine nach § 709 ZPO zu leistende Sicherheit Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.d. § 788 Abs. 1 ZPO sind. Das entspricht der h.M. in der Rspr. der Instanzgerichte und in der Lit. (vgl. OLG Koblenz MDR 2004, 835 [= AGS 2004, 207]; OLG Düsseldorf JurBüro 2003, 47; OLG München NJW-RR 2000, 517, 518; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 788 Rn 5; Musielak/Lackmann, ZPO, 9. Aufl., § 788 Rn 3, jeweils m. w. Nachw; offen gelassen von BGH, Beschl. v. 3.12.2007 – II ZB 8/07, NJW-RR 2008, 515 [= AGS 2008, 200]), ist aber nicht unbestritten (vgl. MüKoZPO/K. Schmidt, 3. Aufl., § 788 Rn 17; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 788 Rn 11). Der Senat braucht diesen Meinungsstreit nicht zu entscheiden. Rechnet man die Kosten einer zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung beigebrachten Bürgschaft dem Zwangsvollstreckungsverfahren zu, hängt ihre Erstattungsfähigkeit gem. §§ 788 Abs. 1, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO davon ab, ob sie notwendig waren. Für die Gegenauffassung gilt im Ergebnis nichts anderes. Denn dann handelt es sich bei derartigen Kosten, die zur Vorbereitung der Vollstreckung aus dem Titel beim Gläubiger anfallen, um Verfahrenskosten im weiteren Sinn, deren Erstattungsfähigkeit auf dem zugrunde liegenden Prozessrechtsverhältnis beruht (BGH, Beschl. v. 3.12.2007 – II ZB 8/07, NJW-RR 2008, 515, 516 [= AGS 2008, 200]; Urt. v. 18.12.1973 – VI ZR 158/72, NJW 1974, 693, 694) und deshalb ebenfalls nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zu beurteilen ist. Daraus folgt, dass die Kosten einer zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung beigebrachten Bürgschaft un...