ZPO §§ 91 Abs. 1, 2 RVG VV Nrn. 7002, 7005
Leitsatz
- Die Reisekosten eines am Wohnort bzw. Sitz der Partei ansässigen Rechtsanwalts sind regelmäßig zu erstatten.
- Das Gleiche gilt auch für das Abwesenheitsgeld.
- Beauftragt die im Gerichtsbezirk ansässige Partei einen Anwalt außerhalb des Gerichtsbezirks, sind dessen Reisekosten ab bzw. bis zur Gerichtsbezirksgrenze erstattungsfähig, um eine Ungleichbehandlung zwischen im Gerichtsbezirk ansässigen und nicht im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwälten zu vermeiden.
AG Kiel, Beschl. v. 14.2.2013 – 59 F 12/11
1 Aus den Gründen
Fahrtkosten können lediglich unter Berücksichtigung einer Entfernung von 20 km pro einfacher Fahrtstrecke; das Abwesenheitsgeld lediglich i.H.v. 20,00 EUR geltend gemacht werden.
Bei einem nicht im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalt sind die Reisekosten eines Rechtsanwalts lediglich insoweit zur erstatten, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig war, § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO.
Diese Voraussetzung liegt nach std. Rspr. des BGH regelmäßig lediglich insoweit vor, als ein am Wohnort bzw. Sitz der Partei ansässiger Rechtsanwalt mandatiert wird.
Der Antragsgegner war bei Verfahrenseinleitung in S. wohnhaft, sodass demnach die Fahrtkosten lediglich unter Berücksichtigung einer einfachen Wegstrecke von 10 km (Distanz Wohnort des Antragsgegners zum Gericht) fiktiv erstattungsfähig wären.
Da jedoch die Fahrtkosten eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts stets erstattungsfähig sind und eine Ungleichbehandlung zwischen im Gerichtsbezirk ansässigen und nicht im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwälten bei Fassung von § 91 ZPO nicht intendiert war (vgl. BT-Drucks 15/1971, S. 233), sind fiktive Fahrtkosten vom Gericht bis zur Gerichtsbezirksgrenze stets erstattungsfähig (Prütting/Gehrlein-Schneider, ZPO, 4. Aufl., Rn 5).
Das Abwesenheitsgeld ist lediglich i.H.v. 20,00 EUR erstattungsfähig, da sowohl bei Beauftragung eines am Wohnort des Antragsgegners ansässigen Rechtsanwalts als auch bei Beauftragung eines an der Gerichtsbezirksgrenze ansässigen Rechtsanwalts eine Abwesenheitsdauer von nicht mehr als vier Stunden vorgelegen hätte, sodass Nr. 7005 Nr. 1 VV einschlägig ist.
2 Anmerkung
Die Entscheidung des AG ist zutreffend und entspricht der vergleichbaren Rspr. in Prozess- und Verfahrenskostenhilfemandaten.
Zunächst einmal weist das AG Kiel zu Recht darauf hin, dass die Reisekosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts grundsätzlich erstattungsfähig sind, selbst wenn er nicht am Gerichtsort selbst ansässig ist. Die ZPO kennt keinen "ortsansässigen Anwalt", sondern nur den Anwalt, der seine Kanzlei im Gerichtsbezirk unterhält, und den Anwalt, der seine Kanzlei nicht im Gerichtsbezirk unterhält.
Da die Kosten eines Anwalts in allen Prozessen zu erstatten sind (§ 91 Abs. 2 S. 1, 1. Hs. ZPO), sind auch die Reisekosten des Anwalts grundsätzlich in allen Prozessen erstattungsfähig. Eine Ausnahme sieht das Gesetz nur in § 91 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. ZPO vor, wenn der Anwalt nicht im Gerichtsbezirk niedergelassen ist. Dann sind dessen Reisekosten nur erstattungsfähig, wenn eine besondere Notwendigkeit besteht. Daraus folgt aber im Umkehrschluss, dass die Reisekosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts immer erstattungsfähig sind.
Auf diese Rspr. baut das AG Kiel auf. Wenn die Partei schon innerhalb des jeweiligen Gerichtsbezirks einen Anwalt frei auswählen darf, also auch einen Anwalt beauftragen darf, der nicht am Gerichtsort selbst ansässig ist und für den erstattungsfähige Reisekosten anfallen, dann können die Reisekosten eines außerhalb des Gerichtsorts niedergelassenen Anwalts auch nicht in voller Höhe als nicht notwendig und damit nicht erstattungsfähig angesehen werden, sondern nur so weit, wie sie die Kosten eines Anwalts im Gerichtsbezirk übersteigen, weil dessen Kosten in vollem Umfang erstattungsfähig gewesen wären.
Es gilt daher das Gleiche wie bei der Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, nämlich dass die Reisekosten eines auswärtigen Anwalts bis zur größtmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks zu erstatten sind.
Norbert Schneider
AGS 1/2014, S. 8 - 9