FamGKG § 48 Abs. 1
Leitsatz
- Ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung kann auch dann bestehen, wenn ein Ehegatte freiwillig aus der Ehewohnung ausgezogen ist.
- Bei dem Verfahren auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung handelt es sich um eine Ehewohnungssache nach § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, sodass gem. § 48 Abs. 1 FamGKG regelmäßig ein Verfahrenswert von 3.000,00 EUR anzusetzen ist.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.2.2013 – 3 UF 95/12
1 Sachverhalt
Die beteiligten getrennt lebenden Eheleute sind Miteigentümer eines Grundstücks, auf dem sich die Ehewohnung befand. Die Antragstellerin ist aus der Ehewohnung freiwillig ausgezogen und fordert vom Antragsgegner die Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung von 400,00 EUR, und zwar insgesamt 3.200,00 EUR für die Zeit von September 2011 bis April 2012 sowie weitere 400,00 EUR für Mai 2012.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das FamG den Antrag auf Zahlung einer Nutzungsvergütung zurückgewiesen und für den Antrag auf Nutzungsvergütung einen Wert i.H.v. 4.800,00 EUR angenommen.
Das OLG hat den Anspruch auf Nutzungsentschädigung zugesprochen und den Verfahrenswert insoweit von Amts wegen auf 3.000,00 EUR abgeändert.
2 Aus den Gründen
Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Nutzungsvergütung in Höhe von monatlich 275,00 EUR, das sind für die acht Monate des streitgegenständlichen Zeitraums insgesamt 2.200,00 EUR.
Gem. § 1361b Abs. 3 S. 1 BGB hat, wenn einem Ehegatten die Ehewohnung ganz oder zum Teil überlassen wurde, der andere alles zu unterlassen, was geeignet ist, die Ausübung dieses Nutzungsrechts zu erschweren oder zu vereiteln. Er kann von dem nutzungsberechtigten Ehegatten eine Vergütung für die Nutzung verlangen, soweit dies der Billigkeit entspricht, § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB. Die Voraussetzungen für die Zahlung einer Nutzungsvergütung sind hier gegeben.
Dem Antragsgegner wurde die Ehewohnung ganz überlassen. Er ist daher der nutzungsberechtigte Ehegatte i.S.v. § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB.
Im Gegensatz zum früheren Rechtszustand knüpft das Gesetz bei der Frage, ob eine Nutzungsvergütung zu zahlen ist, nicht mehr an den Umstand an, dass das Gericht einem der Eheleute die Wohnung durch gerichtliche Entscheidung überlassen hat. Vielmehr kann ein Anspruch auf Nutzungsvergütung auch dann bestehen, wenn ein Ehegatte freiwillig aus der Ehewohnung ausgezogen ist (Verfahrenshandbuch Familiensachen – FamVerf/Schael, 2. Aufl., § 3 Rn 66; Götz, in: Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Aufl., § 1361b BGB Rn 33; vgl. auch BGH FamRZ 2006, 930). …
Der Beschwerdewert beträgt 3.000,00 EUR. Denn auch bei dem Verfahren auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung handelt es sich um eine Ehewohnungssache nach § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG (FamVerf/Schael, § 3 Rn 67), sodass gem. § 48 Abs. 1 FamGKG ein Verfahrenswert von 3.000,00 EUR anzusetzen ist (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 10.2.2011 – 2 UF 289/10 [= AGS 2011, 197]; siehe auch OLG Köln, Beschl. v. 17.3.2010 – 27 UF 28/10).
Die Auffangvorschrift des § 35 FamGKG findet daher entgegen der Auffassung des AG keine Anwendung. Im Übrigen ließe sich aus dieser Vorschrift nicht unmittelbar das Abstellen auf den Jahreswert, den das AG zugrunde gelegt hat, ableiten. Der erstinstanzliche Verfahrenswert wird daher gem. § 55 Abs. 3 FamGKG abgeändert.
3 Anmerkung
Das OLG hat richtig entschieden und seine Entscheidung überzeugend begründet.
Steht einem Ehegatten allein oder gemeinsam mit einem Dritten das Eigentum, das Erbbaurecht oder der Nießbrauch an dem Grundstück zu, auf dem sich die Ehewohnung befindet, oder haben Eheleute gemeinsam oder allein einen Mietvertrag über die Ehewohnung abgeschlossen und hat ein Ehegatte die gemeinsame Ehewohnung verlassen, so kann er für die Überlassung von dem nutzungsberechtigten Ehegatten eine Vergütung für die Nutzung verlangen, soweit dies der Billigkeit entspricht.
Bei der Anspruchsgrundlage für die Zahlung einer Nutzungsentschädigung sind zu unterscheiden:
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§ 1361b Abs. 3 S. 2 BGB, der eine eine Nutzungsentschädigung für die Überlassung der Ehewohnung in der Trennungszeit bestimmt, und |
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§ 745 Abs. 2 BGB, der eine Nutzungsentschädigung kraft Miteigentumsgemeinschaft regelt. |
Eine sich aus familienrechtlichen Bestimmungen ergebende Anspruchsgrundlage, die eine Nutzungsentschädigung beginnend ab Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses erfasst, existiert nicht. Insbesondere enthält § 1568a BGB keine § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB vergleichbare Regelung.
Ist einer der Ehegatten freiwillig aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen, so ist aus nicht nachvollziehbaren Gründen auch für die Zeit der Trennung streitig, welche Anspruchsgrundlage heranzuziehen ist. Überwiegend stellt die Rspr. für die Zeit der Trennung aber richtigerweise auf § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB ab. Der Wortlaut des § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB trifft keine Unterscheidung dahingehend, ob die Nutzungsentschädigung auch bei freiwilligem Auszug oder etwa nur bei einer gerichtlichen "Verweisung" aus der Ehewohnung zu zahlen ist. Es gibt deshalb auch keine die Gegenauffassung tragende Argumentation dafü...