Leitsatz
- Der Verfahrenswert für einen Anspruch nach Rechtskraft der Scheidung auf zukünftige Nutzungsentschädigung für eine im Miteigentum der Beteiligten stehende ehemalige Ehewohnung (gemeinsames Haus) ist mit dem zwölffachen Monatsbetrag zu bemessen.
- Bei Antragseinreichung fällige Beträge sind hinzuzurechnen.
- Die Werte für die fälligen und die zukünftigen Beträge sind nach § 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG zu addieren.
OLG Naumburg, Beschl. v. 3.9.2014 – 3 UF 229/13
1 Aus den Gründen
Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 2.625,45 EUR festgesetzt.
Dabei war bezüglich der bis zur Einreichung des Antrags rückständigen Nutzungsentschädigung auf § 35 FamGKG abzustellen, wonach für die Bemessung des Verfahrenswertes auf alle bis dahin fälligen Nutzungsbeträge abzustellen ist. Für die nach Einreichung eingeforderten laufenden Entgelte ist hingegen auf § 51 Abs. 1 S. 1 FamGKG abzustellen, also auf den Betrag von zwölf Monatsraten (vgl. Türck-Brocker, in: Schneider/Volpert/Fölsch, FamGKG, § 48 FamGKG Rn 25 und 26, der diese Festsetzung als eine mögliche ansieht), wobei im Falle von rückständigen und laufenden Nutzungsentschädigungen deren Werte nach § 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG zu addieren sind.
Nicht zu folgen vermag der Senat dagegen der vom OLG Hamm vertretenen Ansicht, wonach der Verfahrenswert auch für die nach Rechtskraft der Ehescheidung gem. § 745 Abs. 2 BGB eingeforderte Nutzungsentschädigung derjenigen während der Trennung gem. § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB geltend gemachten glichen, sodass deshalb der Verfahrenswert nach § 48 Abs. 1 u. Abs. 3 FamGKG festzusetzen sei, wobei bezüglich der für die Zukunft verlangten Nutzungsentgelte der nach § 48 Abs. 1 FamGKG zu ermittelnde Verfahrenswert von 3.000,00 EUR nach Abs. 3 derselben Vorschrift angemessen um 1.000,00 EUR erhöht werden solle (OLG Hamm FamRZ 2013, 1421).
Diese Ansicht lässt außer Betracht, dass es sich bei der Nutzungsentschädigung während der Trennungszeit nach § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit gem. § 200 Abs. 1 FamFG handelt und dass, in Anbetracht der unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen, auch im Verhältnis zu dem Nutzungsersatzanspruch des Miteigentümer-Ehegatten nach Rechtskraft der Ehescheidung aus § 745 Abs. 2 BGB ein völlig anderer Streitgegenstand vorliegt. Denn bei letzterem handelt es sich um eine sonstige Familiensache nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, auf die gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG die allgemeinen Vorschriften der ZPO und die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend Anwendung finden.
Auch einer dritten Ansicht, dass hier zur Bemessung des Verfahrenswertes § 9 ZPO mit dem 3,5-fachen Jahreswert des Nutzungsentgelts heranzuziehen sei (Türck-Brocker, a.a.O., § 48 Rn 9: bei der Bewertung der zukünftigen Nutzungsentgelte über § 42 FamGKG entsprechende Anwendung von § 9 ZPO oder § 51 Abs. 1 S. 1 FamGKG; Schneider, Norbert, Anm. zu OLG Hamm, AGS 2013, 183 und ders., in: Schneider/Volpert/Fölsch, FamGKG, 2. Aufl., § 35 FamGKG Rn 70: ergänzend soll über § 42 Abs. 1 FamGKG die Wertung von § 9 ZPO herangezogen werden bzw. § 9 ZPO oder § 51 FamGKG entsprechend angewandt werden; OLG Frankfurt AGS 2013, 341 ff.: Wertbestimmung der laufenden Nutzungsentschädigung nach § 745 Abs. 2 BGB gem. den §§ 48 Abs. 1 S. 1 GKG, 9 ZPO) vermag sich der Senat nicht anzuschließen, bleibt doch hierbei außer Betracht, dass es sich bei dem Anspruch auf Zahlung von Nutzungsersatz um eine "sonstige Familiensache" i.S.v. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG handelt, und nicht um eine ausschließlich zivilrechtliche Nutzungsentgeltstreitigkeit.
2 Anmerkung
Das OLG Naumburg hat zutreffend differenziert und entschieden, dass die Geltendmachung einer Nutzungsentschädigung nach Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses keine Ehewohnungssache nach § 111 Nr. 5 FamFG, vielmehr sonstige Familiensache i.S.d. § 266 Abs. 1 FamFG ist (§ 111 Nr. 10 FamFG).
Die Unterscheidung ist verfahrensrechtlich erforderlich – FG-Verfahren oder Familienstreitsache – und hat gleichermaßen Auswirkungen auf die Anwendung kostenrechtlicher Vorschriften. Ist das Verfahren beispielsweise als Ehewohnungssache zu qualifizieren, so kommt eine Bewertung nur auf der Grundlage des § 48 Abs. 1, 3 FamGKG in Betracht.
Ist Verfahrensgegenstand eine Familienstreitsache, scheidet eine Bewertung nach § 48 FamGKG aus. Es ist allein auf die allgemeinen Wertvorschriften der §§ 33 f. FamGKG zurückzugreifen. Nutzungsentschädigung kann nach Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses auch nach § 2 Abs. 5 GewSchG beansprucht werden. Dann wäre eine Gewaltschutzsache zu bewerten und zwar auf der Grundlage des § 49 FamGKG.
Die Rspr. geht teilweise davon aus, dass auch die Geltendmachung einer Nutzungsentschädigung nach Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses eine Ehewohnungssache ist, die eine Bewertung mit dem Regelwert des § 48 Abs. 1 FamGKG nach sich ziehe. Sie verkennt dabei aber, dass es im materiellen Recht nicht einmal eine Anspruchsgrundlage im Familienrecht dafür gibt. Geregelt ist nämlich für die Ehewohnung nur ...