Die Entscheidung des OLG Nürnberg ist dem Grunde nach zutreffend.
Wird dem Angeklagten wegen Verhinderung seines Pflichtverteidigers ein anderer Pflichtverteidiger bestellt, so ist dieser für die Zeit seiner Bestellung vollwertiger Verteidiger.
Er muss sich in die Sache einarbeiten, sodass er eine Grundgebühr (Nr. 4100 VV) verdient.
Für jeden Tag, an dem er einen Hauptverhandlungstermin wahrnimmt, steht ihm eine Terminsgebühr zu.
Nimmt er auch an sonstigen Terminen (Haftprüfungstermin o. Ä.) teil, so steht ihm dafür eine weitere Terminsgebühr nach Nr. 4102 VV zu.
Muss sich der Pflichtverteidiger auch mit einer Einziehung oder verwandten Maßnahmen befassen, entsteht für ihn darüber hinaus die Gebühr nach Nr. 4142 VV.
Entgegen der Auffassung des OLG erhält der Anwalt allerdings auch eine Verfahrensgebühr. Nach Vorbem. 4 Abs. 2 VV entsteht die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Entgegennahme der Information. Wie man an einer Hauptverhandlung teilnehmen kann, ohne damit gleichzeitig das Geschäft zu betreiben, ist nicht nachzuvollziehen. Abgesehen davon entsteht die Verfahrensgebühr bereits für die Entgegennahme der Information. Auch der nur für einen Tag bestellte Pflichtverteidiger muss zunächst einmal die Informationen entgegennehmen, um die Sache bearbeiten zu können.
Im Übrigen ergibt sich aus der Neufassung der Nr. 4100 VV, dass die Verfahrensgebühr neben der Grundgebühr entsteht, dass also sowohl Grund- als auch Verfahrensgebühr immer zeitgleich anfallen müssen. Es ist weder möglich, dass eine Grundgebühr isoliert anfällt, noch dass eine Verfahrensgebühr ohne Grundgebühr anfällt, sofern diese nicht bereits in einem vorangegangenen Stadium verdient worden ist.
Anders verhält es sich lediglich, wenn der "Ersatzverteidiger" nicht dem Angeklagten, sondern als Vertreter des verhinderten Pflichtverteidigers bestellt wird. Ob dies überhaupt zulässig ist, ist fraglich und umstritten.
Wird diese Variante gewählt, dann wird jedenfalls der "Ersatzverteidiger" nicht vollwertiger Pflichtverteidiger und erwirbt auch keinen Anspruch gegen die Landeskasse. Er wird vielmehr Vertreter des verhinderten Anwalts und muss mit diesem intern abrechnen. Der verhinderte Anwalt wiederum erhält über § 5 RVG aus der Landeskasse die volle Vergütung, die ihm auch dann zustünde, wenn er den Termin selbst wahrgenommen hätte.
Norbert Schneider
AGS 1/2015, S. 29 - 31