Die Entscheidung ist zutreffend.
Die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere betrifft zunächst einmal nur das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant (§ 15a Abs. 1 RVG).
Ein Dritter kann sich nach § 15a Abs. 2 RVG grundsätzlich nicht auf eine Anrechnung berufen.
Da jede Gebühr selbstständig ist, kann die obsiegende Partei also grundsätzlich die Erstattung der jeweiligen vollen Gebühr verlangen, und zwar unbeschadet der Anrechnung einer eventuell zuvor entstandenen Geschäftsgebühr.
Ein Erstattungspflichtiger kann also vor allem nicht mehr – wie früher – einwenden, es sei auf Seiten des Erstattungsberechtigten zuvor eine anzurechnende Gebühr entstanden, daher seien die zu erstattenden Kosten um den anzurechnenden Betrag vermindert.
Nur dann, wenn der Erstattungspflichtige selbst die anzurechnende Gebühr
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bereits gezahlt oder anderweitig erfüllt hat, |
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sie gegen ihn bereits tituliert ist, |
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oder gegen ihn zeitgleich geltend gemacht wird, |
kann er sich nach § 15a Abs. 2 RVG auf die Anrechnung berufen.
Da eine Erstattung der Geschäftsgebühr im Verwaltungsverfahren grundsätzlich ausgeschlossen ist, kann sich die erstattungspflichtige Behörde also grundsätzlich nicht auf die Anrechnung nach Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV berufen.
Beispiel
Der Anwalt wird im Verwaltungsverfahren vor der Sozialbehörde beauftragt. Gegen den Bescheid der Behörde legt er Widerspruch ein, der erfolgreich ist, sodass die Behörde die Kosten des Widerspruchsverfahrens erstatten muss. Sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Widerspruchsverfahren war die Sache umfangreich und schwierig, aber durchschnittlich.
Gegenüber dem Mandanten rechnet der Anwalt jeweils ausgehend von der Mittelgebühr wie folgt ab:
I. Verwaltungsverfahren
1. |
Geschäftsgebühr, Nr. 2302 Nr. 1 VV |
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345,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
365,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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69,35 EUR |
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Gesamt |
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434,35 EUR |
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II. Widerspruchsverfahren
1. |
Geschäftsgebühr, Nr. 2302 Nr. 1 VV |
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345,00 EUR |
2. |
gem. Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 1. VV anzurechnen |
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– 172,50 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
192,50 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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36,58 EUR |
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Gesamt |
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229,08 EUR |
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Gesamt I. + II. |
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663,43 EUR |
Zu erstatten ist unter Berücksichtigung des § 15a Abs. 2 RVG die volle Geschäftsgebühr, unbeschadet der Anrechnung:
1. |
Geschäftsgebühr, Nr. 2302 Nr. 1 VV |
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345,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
365,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
69,35 EUR |
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Gesamt |
|
434,35 EUR |
Anders verhält es sich im gerichtlichen Verfahren, wenn hier die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren für notwendig erklärt wird und damit die Geschäftsgebühr des Widerspruchsverfahrens erstattungsfähig ist. Dann greift die 3. Var. Des § 15a Abs. 2 RVG mit der Folge, dass die erstattungspflichtige Behörde sich auf die Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV berufen kann.
Beispiel
Der Kläger beauftragt seinen Anwalt im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren, im anschließenden Widerspruchsverfahren und im nachfolgenden Rechtsstreit vor dem SG. Die Kosten des Verfahrens einschließlich des Widerspruchsverfahrens werden der beklagten Behörde auferlegt.
Die Geschäftsgebühr für das Verwaltungsverfahren (Nr. 2302 Nr. 1 VV) ist nicht erstattungsfähig. Zu erstatten sind dagegen die Geschäftsgebühr des Widerspruchsverfahrens (Nr. 2302 Nr. 1 VV) und die Gebühren des Rechtsstreits (Nr. 3102 VV). Während der Kläger im Nachprüfungsverfahren die Anrechnung der vorangegangenen Geschäftsgebühr nicht gegen sich gelten lassen muss, ist die Geschäftsgebühr des Nachprüfungsverfahrens im Rechtsstreit anzurechnen, da sie zeitgleich geltend gemacht wird. Der Kläger kann – ausgehend jeweils von der Mittelgebühr – insgesamt zur Festsetzung anmelden:
I. Widerspruchsverfahren
1. |
Geschäftsgebühr, Nr. 2302 Nr. 1 VV |
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345,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
365,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
69,35 EUR |
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Gesamt |
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434,35 EUR |
II. Rechtsstreit
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
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300,00 EUR |
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2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen |
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– 172,50 EUR |
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3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
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280,00 EUR |
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4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
427,50 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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81,23 EUR |
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Gesamt |
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508,73 EUR |
Norbert Schneider
AGS 1/2016, S. 35 - 38