Leitsatz
- Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Darlehensvertrags aufgrund Widerrufs des Kreditnehmers richtet sich nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag des Vertragszinses.
- Der zusätzliche Antrag auf Erteilung der Löschungsbewilligung zu einer eingetragenen Grundschuld geht über die Wirksamkeit der Feststellung des Widerrufs hinaus und ist deshalb zusätzlich zu bewerten, allerdings nicht mit dem vollen Nennwert des Grundpfandrechts, sondern mit 20 % des 3,5-fachen Jahresbetrags des Vertragszinses.
LG Ulm, Beschl. v. 26.10.2015 – 4 O 233/15
1 Sachverhalt
Der Kläger verfolgt Ansprüche aus dem Widerruf von zwei Immobiliendarlehensverträgen.
Mit Nr. 1 des Antrags hat er löschungsfähige Quittungen für Grundschulden über 40.000,00 EUR, 30.000,00 EUR und 25.000,00 EUR, Zug um Zug gegen Bezahlung von 20.411,38 EUR verlangt.
Mit Nr. 3 wurde die Feststellung verlangt, dass der Kläger der Beklagten im Rahmen der Rückabwicklung der Darlehensverträge nur noch 20.411,38 EUR schuldet.
Mit Nr. 2 und 4 wurde die Feststellung des Annahmeverzugs und mit Nr. 5 die Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten geltend gemacht.
2 Aus den Gründen
Das Gericht hält trotz der Einwendungen des Klägervertreters an der Streitwertfestsetzung in Höhe von 8.316,00 EUR fest, wie sie in der Hinweisverfügung angekündigt wurde.
Für Antrag Nr. 3 wird der Streitwert nach Maßgabe der Entscheidung des OLG Stuttgart v. 30.4.2015 – 6 W 25/15 u. v. 28.1.2015 – 9 U 119/14 auf 6.930,00 EUR festgesetzt.
Hinter diesem Antrag auf Feststellung, dass der Kläger an die Beklagte noch zuletzt 20.411,38 EUR zu bezahlen hat, steht das Interesse des Klägers an der Feststellung der Wirksamkeit seines Widerrufs der Darlehensverträge. Das wirtschaftliche Interesse an dieser Feststellung liegt darin, dass der Kläger durch den Widerruf von seiner Verpflichtung frei wird, bis zum Ablauf einer vereinbarten Zinsbindungsfrist die vereinbarten Zinsen für das Darlehen zu entrichten. Unter Anwendung des § 9 ZPO ist daher der 3,5-fache Betrag der jährlichen Zinsen streitwertbestimmend. Es ist zwar zutreffend, wie der Klägervertreter im Schriftsatz v. 23.10.2015 ausführt, dass im Falle des wirksamen Widerrufs vom Kläger Zinsen in Form eines Nutzungsersatzes zu zahlen sind. Dies ist aber unerheblich, da das Interesse des Klägers am Widerruf in der Vermeidung Zahlung zukünftiger Zinsen liegt, die hier nach § 9 ZPO wie folgt berechnet werden:
Für das Darlehen Nr. …:
130,00 EUR (gerundet) x 12 x 3,5 = |
5.460,00 EUR |
und für das Darlehen Nr. …:
35,00 EUR (gerundet) x 12 x 3,5 = |
1.470,00 EUR |
b) Der Anspruch auf Erteilung einer Löschungsbewilligung laut Antrag Nr. 1 geht über die Wirksamkeit der Feststellung des Widerrufs hinaus, weshalb diesem Antrag ein eigener Streitwert beizumessen ist. Dieser Streitwert wird gemäß der Entscheidung des OLG Köln v. 25.3.2015 – 13 W 13/15 auf 20 % des für den Antrag Nr. 3 festgesetzten Streitwerts bestimmt und beträgt somit 1.386,00 EUR.
Die vom Klägervertreter zitierte Entscheidung des OLG Stuttgart v. 5.3.2010 – 10 W 7/10 ist im vorliegenden Fall, bei dem es um Rückabwicklung eines Darlehensvertrags geht, nicht einschlägig. Die Besonderheiten eines Darlehenswiderrufs werden im Beschluss des OLG Köln v. 25.3.2015 hingegen berücksichtigt.
Auch ist der Entscheidung des LG Bonn v. 29.4.2015 – 2 O 294/14 nicht zu folgen. Der Ansatz des vollen Grundschuldnennbetrags wäre verfehlt, da sich die Löschung der Grundschuld als bloße Folge des Widerrufs und der Umgestaltung des Darlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis mit gegenseitigen Herausgabeverpflichtungen darstellt. Diesem Umstand wird in der Entscheidung des OLG Köln explizit Rechnung getragen.
AGS 1/2016, S. 10 - 11