a) Meinungsstand
Freilich begegnet die uneingeschränkte, auch in Bezug auf externe Rechtsverfolgungskosten anzuwendende Anrechnungslösung des § 288 Abs. 5 S. 3 BGB, für die der deutsche Gesetzgeber sich letztlich entschieden hat, erheblichen unionsrechtlichen Bedenken. Art. 6 Abs. 3 ZVRL 2011 sieht vor, dass der Gläubiger zusätzlich zur Pauschale einen Anspruch auf Ersatz aller Beitreibungskosten hat, zu denen insbesondere die Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens und mithin die externen Rechtsverfolgungskosten zählen. Das Wort "zusätzlich" spricht gegen die Zulässigkeit einer Anrechnung der Pauschale auf den Anspruch auf Ersatz externer Beitreibungskosten.
Das Meinungsbild in Rspr. und Schrifttum zur Unionsrechtskonformität des § 288 Abs. 5 S. 3 BGB ist uneinheitlich. Während das AG München und das LAG Köln von der Richtlinienkonformität ausgehen, wird diese vom AG Aachen unter Hinweis auf die Erwägungsgründe 19 und 20 der ZVRL 2011 angezweifelt. Auch der DAV hält die Anrechnungslösung des § 288 Abs. 5 S. 3 BGB unter Verweis auf die französische Fassung der Richtlinie für europarechtswidrig. Dagegen bejahen Teile des Schrifttums die Richtlinienkonformität des § 288 Abs. 5 S. 3 BGB.
b) Allgemeine Zielsetzung der Richtlinie
Gegen die unionsrechtliche Zulässigkeit der in § 288 Abs. 5 S. 3 BGB vorgesehenen Anrechnung der Pauschale auf externe Rechtsverfolgungskosten spricht zunächst die allgemeine Zielsetzung der ZVRL 2011. Gerade die Möglichkeit des Gläubigers, neben der Pauschale auch sonstige Verzugsschäden geltend machen zu können, gibt dem Schuldner Anlass, im Einklang mit der Zielsetzung der ZVRL 2011 seine Zahlungsdisziplin zu verbessern, da er sich anderenfalls auf weitere von ihm zu tragende Kosten einstellen muss. Die Pauschale von 40,00 EUR mag oftmals im Verhältnis zum ausstehenden Rechnungsbetrag nicht allzu hoch erscheinen; gleichwohl kann sie den Schuldner aufgrund der Akkumulation infolge ihres – wie vorstehend ausgeführt wurde – belegorientierten Anfalls in finanzieller Sicht empfindlich treffen.
Überdies ist bei der derzeitigen Gesetzeslage mit Anrechnungslösung eine Verkürzung der Verzugsdauer, wie sie von der ZVRL 2011 angestrebt wird, nicht zu erwarten. Denn der Gläubiger wird im Falle des Schuldnerverzugs zunächst versuchen, seine Entgeltforderung selbst ohne die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens einzutreiben, um so letztlich einen wirtschaftlichen Vorteil in Gestalt der Pauschale zu erzielen, die vom tatsächlichen Vorliegen interner Kosten unabhängig ist. Eine solche Vorgehensweise, zu der der deutsche Gesetzgeber den Gläubiger mit § 288 Abs. 5 S. 3 BGB motiviert, läuft dem Ziel der Richtlinie, die Zahlungsverzugsdauer zu verkürzen, zuwider.
Schließlich wird mit der Anrechnungslösung die vom europäischen Gesetzgeber nach Erwägungsgrund 19 der ZVRL 2011 intendierte Abschreckungswirkung torpediert. Wie dargelegt wurde, ist die ZVRL 2011 vor dem Hintergrund zu sehen, dass mit ihr eine "Kultur der unverzüglichen Zahlung" in der EU geschaffen werden sollte. Unter dieser Prämisse hat der europäische Gesetzgeber bewusst Maßnahmen gewählt, die womöglich eine (leicht) überschießende Wirkung entfalten. Erst hierdurch kann die beabsichtigte Abschreckungswirkung erzielt werden.
c) Zweck der Pauschale im Besonderen – Abgeltung (nur) interner Beitreibungskosten
Für die Beantwortung der Frage der Richtlinienkonformität des § 288 Abs. 5 S. 3 BGB ist neben der allgemeinen Zielsetzung der ZVRL 2011 auch zu berücksichtigen, welchem Zweck speziell die Verzugspauschale nach den Bestimmungen und Erwägungsgründen der Richtlinie dient. Richtigerweise ist dieser Zweck in der pauschalen Abgeltung allein der internen Beitreibungskosten des Gläubigers zu sehen. Der Begriff der Beitreibungskosten wird in der ZVRL 2011 nicht legaldefiniert. In den Erwägungsgründen 19 und 20 hat der europäische Gesetzgeber jedoch ausdrücklich erklärt, dass die Pauschale interne Beitreibungskosten abgelten soll. Schon deshalb mutet es widersprüchlich an, wenn die Pauschale für interne Beitreibungskosten mit den externen Kosten verrechnet wird, wie dies in § 288 Abs. 5 S. 3 BGB vorgesehen ist.
Zudem legt Art. 6 Abs. 3 S. 1 ZVRL 2011 fest, dass der Gläubiger "gegenüber dem Schuldner zusätzlich zu dem … Pauschalbetrag einen Anspruch auf angemessenen Ersatz aller durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten [hat], die diesen Pauschalbetrag überschreiten." Die Einschränkung "die diesen Pauschalbetrag überschreiten" ka...