Leitsatz
Die zusätzliche Gebühr der Nr. 5115 VV fällt nicht an, wenn im Verfahren bereits eine Hauptverhandlung stattgefunden hat, die ausgesetzt worden ist und dann das Verfahren noch eingestellt wird.
AG Hanau, Beschl. v. 8.11.2016 – 55 OWi 2255 Js 21203/15
1 Aus den Gründen
Darüber hinaus besteht die Frage, ob eine Gebühr Nr. 5115 VV entstanden ist. Hierzu wird von der Bezirksrevisorin mit Verweis auf den Beschluss des OLG Frankfurt v. 10.2.2012 (2 Ws 177/11) betreffend die Gebühr nach Nr. 4141 VV, welche den gleichen Zweck verfolgt wie die Nr. 5115 VV, ausgeführt, dass diese Gebühr abzusetzen sei, da im Verfahren bereits eine Hauptverhandlung stattgefunden hat und diese somit nicht mehr entbehrlich werden kann.
Dem hält der Verteidiger entgegen, dass die Gebühr dennoch entstanden sei, da eine weitere neue Hauptverhandlung entbehrlich wurde, und verweist auf das Urt. d. BGH v. 14.4.2011 (IX ZR 153/10 [= AGS 2011, 419]). Der BGH führt aus, dass eine Einstellungsgebühr auch entstehen kann, wenn ein neuer Hauptverhandlungstermin, welcher nach einer Aussetzung stattfinden würde, entbehrlich wird.
Im vorliegenden Verfahren war die Hauptverhandlung für den 6.6.2016 anberaumt. Der Verteidiger beantragte mit Schreiben v. 25.5.2016, also zwölf Tage vor Hauptverhandlungstermin, die Einstellung des Verfahrens. Er stellte in diesem Zusammenhang mehrere Beweisanträge, die darauf abzielten, dass das vorliegende Messergebnis nicht verwertbar sei. Die Rücksprache mit der zuständigen Richterin ergab, dass die vorliegenden Beweisanträge und Eingaben des Verteidigers nicht ausreichten, um den anberaumten Termin aufzuheben. Vielmehr wurden in der Hauptverhandlung weitere Unterlagen vorgelegt, die die Richterin dazu veranlassten, den Termin zu vertagen, um den Beweisanträgen nachzugehen. Die daraufhin eingeholten Stellungnahmen führten letztendlich zur Einstellung des Verfahrens.
Dass die Mitwirkung des Verteidigers im vorliegenden Fall zur Einstellung des Verfahrens beigetragen hat, steht außer Frage. Es bleibt lediglich zu prüfen, ob tatsächlich ein Hauptverhandlungstermin entbehrlich geworden ist. Diese Frage ist nach Ansicht des Gerichts zu verneinen.
Hätte die Richterin den Hauptverhandlungstermin aufgrund der Eingaben des Verteidigers aufgehoben, so wäre die Gebühr nach Nr. 5115 VV ohne Zweifel entstanden. Gleichzeitig wäre aber eine Terminsgebühr nicht angefallen.
Das Gericht sieht im vorliegenden Fall nicht, dass es zu einem weiteren Hauptverhandlungstermin hätte kommen müssen. Letztendlich hatte sich im schriftlichen Verfahren bestätigt, was der Verteidiger mit Schreiben v. 25.5.2016 vorgetragen hatte. Es gab somit keinen Grund, einen weiteren Termin anzuberaumen. Somit wurde durch die Einstellung auch keine Hauptverhandlung entbehrlich und die Voraussetzungen der Nr. 5115 VV sind nicht erfüllt. Die Gebühr war daher abzusetzen.
2 Anmerkung
Die Entscheidung ist unzutreffend.
Selbstverständlich ist eine Hauptverhandlung entbehrlich geworden.
Wird die Hauptverhandlung in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren ausgesetzt, so ist mit der Hauptverhandlung erneut zu beginnen.
Zutreffend ist zwar, dass das Gericht auch im schriftlichen Verfahren entscheiden kann. Dazu bedarf es aber nach § 72 OWiG der Zustimmung des Betroffenen und der Staatsanwaltschaft.
Das Gericht übersieht allerdings, dass auch bei einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 72 OWiG die zusätzliche Gebühr anfällt (Anm. Abs. 1 Nr. 5 zu Nr. 5115 VV).
Offenbar hat das Gericht die Vorschrift der Nr. 5115 VV nicht vollständig gelesen.
Norbert Schneider
AGS 1/2017, S. 31