Herausgegeben von Markus Hartung, Micha-Manuel Bues und Gernot Halbleib. 1. Aufl., 2018. Verlag C.H. Beck. XXI, 308 S., 89,00 EUR
Das Handbuch befasst sich mit der Digitalisierung und Automatisierung im Rechtsmarkt. Es stellt neben den juristischen Rahmenbedingungen auch den aktuellen Stand einschließlich einiger bei Anwälten, Rechtsdienstleistern und (sonstigen) Unternehmen bereits entwickelten Projekte dar und gibt ferner einen Ausblick in die Zukunft (bis hin zu Systemen künstlicher Intelligenz, ein von Bues bearbeitetes eigenes Kapitel). Die Herausgeber setzen sich seit Jahren mit den theoretischen und praktischen Folgen der Digitalisierung der Rechtsbranche auseinander. Der Autorenkreis besteht aus internationalen Experten und Praktikern, die den Bereich Legal Tech und Digitalisierung aus unterschiedlichen Blickwinkeln eingehend analysieren. Der immer häufiger gebrauchte Begriff Legal Tech wird zum Teil recht weit verwendet, z.B. auch für Kanzleisoftware, die es schon lange gibt. Der Ansatz der Autoren, Legal Tech im engeren Sinne (für moderne, zukunftsweisende und innovative Entwicklungen) zu gebrauchen und ihn gegen Office Tech abzugrenzen, erscheint sinnvoll. Dem Bereich Office Tech können z.B. Büroorganisation incl. Branchensoftware, Spracherkennung, traditionelle Datenbanksammlungen zugeordnet werden, während Legal Tech einen Schritt weiter ansetzt, nämlich immer dann, wenn durch Technologieeinsatz anwaltliche Tätigkeiten ganz oder teilweise ersetzt werden (z.B. Vertrieb automatisierter Rechtsberatungsprodukte, AGB- oder Vertragsgeneratoren, Expertenportale, Legal Process Outsourcing oder E-Discovery zur Dokumentenanalyse). Das Werk ist deshalb so gut zu lesen, weil es eine Fülle von Beispielen enthält, wie Anwälte, Rechtsdienstleister oder z.B. Verlagsunternehmen heute schon anwaltliche Tätigkeiten durch Automation ersetzen. Als Beispiele werden z.B. genannt die Projekte in Großkanzleien im Bereich E-Discovery oder die Portale, die als registrierte Inkassodienstleister massenhaft Geldforderungen gegen VW im Zusammenhang mit dem Abgasskandal oder gegen Fluggesellschaften wegen Entschädigungen für Flugverspätungen geltend machen. Auch die durch das Verbraucherstreitschlichtungsverfahren entstandenen Verfahrensformen (z.B. OS-Plattform) werden behandelt, mit Ausblick auf zukünftige Varianten wie z.B. Onlinegerichte. Interessant sind die an Hand vieler Beispiele entwickelten Strategien für solche Automations- und Software-Projekte, die Darstellung von Vor- und Nachteilen für Anwalt und Mandant, die Risiken und Investitionsgrößen usw. Legal Tech Entwicklungen haben vor allem dort Chancen, wo potentielle Mandanten wegen hoher Kosten vielfach Aufträge im herkömmlichen Sinne gar nicht erteilen würden. Wo der Anwalt standesrechtlich oder auch wirtschaftlich gehindert ist, dem Mandanten ein anderes Vergütungs- und Leistungsmodell anzubieten, können Rechtsdienstleister oder Unternehmen ersatzweise automatisierte Lösungen zur Verfügung zu stellen und auch unternehmerische Vorstellung von Mandanten im Sinne "no win no fee" berücksichtigen. Neben den konkreten Entwicklungen im deutschen Legal Tech Markt stellen die Autoren auch ausgiebig (in englischer Sprache) die Veränderungen und Entwicklungsprognosen im US- und UK-Markt dar. Diese rechtlich zum Teil völlig anderen Rahmenbedingungen ergeben manche Anregung, wie eine deutsche Entwicklung zukünftig verlaufen könnte. Zurück zur Realität geführt wird der Leser durch das Kapitel 6.4 von Hartung "Legal Tech und anwaltliches Berufsrecht". Wer massenhaft und möglichst automatisiert sowie ohne die Zwänge des RVG Geldforderungen für Auftraggeber geltend machen will, wird dies mittels einer Inkassoerlaubnis (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG) umsetzen können. Unternehmen (Nicht-Anwälte), die keine Rechtsberatung (im konkreten Einzelfalle) anbieten (z.B. Portale mit allgemeinen Informationsinhalten), finden derzeit ebenfalls rechtliche Rahmenbedingungen. Die mitgliederfinanzierte Rechtsberatung durch Verbände (§ 7 RDG) ist keine Lösung für Angebote, die sich mit Beratung, Vertragsentwürfen, Forderungsabwehr (also außerhalb der in § 10 Abs. 1 RDG genannten Möglichkeiten) bewegen, denn hier darf die Rechtsberatung nicht von übergeordneter Bedeutung gegenüber der Erfüllung der übrigen satzungsmäßigen Aufgaben sein. Auch die altruistische Rechtsberatung (§ 6 RDG) ist wegen ihrer Anforderungen und aus wirtschaftlicher Sicht für Unternehmen nicht geeignet. Es ist den Autoren daher zuzustimmen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für Legal Tech in Deutschland nur teilweise passen. Soweit Projekte mit dem RDG in Konflikt stehen, bleibt gegebenenfalls die Zusammenarbeit mit dem Anwalt, wobei sich hier für diesen neue Beratungsfelder ergeben.
Das Handbuch Legal Tech ist spannend zu lesen, trotz seiner teilweisen Ausrichtung auf die Zukunft immer auch praxisbezogen und jedem Anwalt zu empfehlen. Denn je früher man in einem sich verändernden Markt die Entwicklungsmöglichkeiten erkennt, die a...