RVG VV Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104

Leitsatz

Der in Anm. Abs. 1 Nr. 1, 3. Fall zu Nr. 3104 VV in Bezug genommene "schriftliche Vergleich" erfasst nur den das gerichtliche Verfahren unmittelbar beendenden Prozessvergleich nach § 106 S. 2 VwGO und nicht auch den einer außergerichtlichen Einigung, in deren Folge es zu einer Beendigung des Verfahrens kommt (entgegen OLG Köln, Beschl. v. 20.6.2016 – I-17 W 98/16).

OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 15.11.2017 – OVG 6 K 72.17 

1 Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Erstattungsfähigkeit einer Terminsgebühr.

In der der Kostensache zugrunde liegenden Angelegenheit begehrte der Antragsteller, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihm einen Studienplatz in einem bestimmten Studiengang zuzuweisen und beantragte hierfür Prozesskostenhilfe, die ihm unter Beiordnung der Erinnerungsführerin gewährt wurde. Auf einen schriftlichen Vergleichsvorschlag der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens, der eine Zulassung zum Studium unter bestimmten Voraussetzungen gegen Antragsrücknahme vorsah, nahm der Antragsteller des Ausgangsverfahrens den einstweiligen Rechtsschutzantrag zurück.

Daraufhin begehrte die Erinnerungsführerin im Rahmen der Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung nach § 55 RVG u.a. eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV festzusetzen, was die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ablehnte. Die hiergegen eingelegte Erinnerung wies das VG zurück. Die dagegen eingelegte Beschwerde hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen

Die gegen diesen Beschluss gerichtete, gem. § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde, über die gem. § 33 Abs. 8 RVG der Einzelrichter entscheidet, da die angefochtene Entscheidung von einer Einzelrichterin erlassen wurde, ist unbegründet.

Die Annahme des VG, dass die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle es zu Recht abgelehnt habe, eine Terminsgebühr festzusetzen, ist nicht zu beanstanden.

1. Die Festsetzung einer sog. fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 3. Fall VV kommt nicht in Betracht.

Das VG hat zutreffend und im Einklang mit der Rspr. des erkennenden Senats ausgeführt, dass der dort in Bezug genommene "schriftliche Vergleich" nur den das gerichtliche Verfahren unmittelbar beendenden Prozessvergleich nach § 106 S. 2 VwGO und nicht auch den einer außergerichtlichen Einigung, in deren Folge es erst zu einer Beendigung des Verfahrens kommt, sei es durch übereinstimmende Hauptsachenerledigungserklärungen, sei es – wie hier – durch nachfolgende Antragsrücknahme. Denn die Vorschrift will diejenigen Konstellationen erfassen, in denen an die Stelle der mündlichen Verhandlung ein anderes prozessrechtlich vorgesehenes Verfahren tritt, nicht hingegen diejenigen Fälle, in denen eine mündliche Verhandlung (oder deren schriftliches Surrogat) nicht mehr stattfindet und auch nicht mehr stattfinden muss, weil die Klage oder der Antrag vorher zurückgenommen oder der Rechtsstreit für erledigt erklärt worden ist (ständige Senatsrspr., zuletzt Beschl. v. 10.11.2017 – OVG 6 K 75.17). Der von der Beschwerde angeführte Beschl. d. OLG Köln v. 20.6.2016 – I-17 W 98/16 u.a. – rechtfertigt keine andere Einschätzung.

Dieses hat ausgeführt, es entspreche dem anlässlich der Einführung des RVG ausdrücklich geäußerten Willen des Gesetzgebers, den Rechtsanwälten einen Anreiz in gebührenrechtlicher Hinsicht zu geben, eine Gebühr durch Besprechungen oder Vereinbarungen mit dem Prozessgegner ohne Beteiligung des Gerichts zu geben, die auf die Vermeidung oder Erledigung eines Rechtsstreits gerichtet seien. Dieser Gedanke komme insbesondere in Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV zum Ausdruck, wonach der Rechtsanwalt bereits dann eine Terminsgebühr verdiene, wenn er an Besprechungen mitwirke, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet seien, allerdings erfolglos blieben. Komme es jedoch aufgrund lediglich schriftlich geführter Korrespondenz zu einer Einigung, so sei kein Grund ersichtlich, diesen Rechtsanwalt schlechter zu stellen, als denjenigen, der mit dem Bevollmächtigten der Gegenseite unmittelbar, also mündlich oder telefonisch in Kontakt getreten sei (a.a.O., Rn 11 bei juris). Diese Auffassung überzeugt nicht.

Die (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 setzt in den beiden weiteren Fällen (Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erstens im Einverständnis der Beteiligten oder zweitens gem. § 307 oder § 495a ZPO) eine gerichtliche Entscheidung voraus. Es ist nicht ersichtlich, weshalb das im hier maßgeblichen dritten Fall (schriftlicher Vergleich) anders sein soll. Der Hinweis auf die Vorbem. 3 Abs. 3 VV für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts passt schon deswegen nicht, weil nach dem Wortlaut dieser Bestimmung jedenfalls die Mitwirkung an einer "Besprechung", die...

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