RVG VV Nr. 4141; StPO §§ 170 Abs. 2, 210 Abs. 2

Leitsatz

  1. Die Zusätzliche Gebühr kann in jedem Verfahrensstadium erneut entstehen.
  2. Wird das Ermittlungsverfahren mangels Tatverdacht eingestellt und auf die Beschwerde des Anzeigenerstatters wieder aufgenommen, bleibt die Zusätzliche Gebühr bestehen.
  3. Wird die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, so bleibt auch hier die Zusätzliche Gebühr bestehen, wenn auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin das Hauptverfahren doch eröffnet wird.

OLG Köln, Beschl. v. 18.10.2017 – III-2 Ws 673/17 

1 Sachverhalt

Aufgrund einer Strafanzeige hatte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen die Angeklagte eingeleitet, in dem sich Rechtsanwalt zum Verteidiger bestellt hatte. Er hatte schriftsätzlich Stellung genommen und die Einstellung des Verfahrens beantragt. Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Auf die Beschwerde des Anzeigenerstatters wurde das Ermittlungsverfahren wieder aufgenommen und Anklage erhoben. Der Strafrichter hat die Eröffnung des Verfahrens aus tatsächlichen Gründen abgelehnt. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das LG die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehoben, die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren vor dem AG eröffnet. In der Hauptverhandlung wurde die Angeklagte freigesprochen. Die hiergegen eingelegte Berufung hat die Staatsanwaltschaft später wieder zurückgenommen.

Im Kostenfestsetzungsverfahren, hat der Verteidiger der Angeklagten unter anderem sowohl für das Ermittlungsverfahren, als auch für das erst- und das zweitinstanzliche Verfahren jeweils eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV und jeweils eine Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV geltend gemacht. Daneben hat er für das zweitinstanzliche Verfahren die Festsetzung der Gebühr Nr. 4124 VV beantragt. Auf entsprechende Anregung der Beschwerdeführerin hat das AG die drei geltend gemachten Gebühren Nr. 4141 VV, die Gebühr Nr. 4124 VV und eine der geltend gemachten Gebühren Nr. 7002 VV zunächst abgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete Erinnerung hat der Strafrichter die Gebühr Nr. 4141 VV für das Ermittlungsverfahren und für das erstinstanzliche Verfahren sowie die abgesetzten Gebühren Nr. 4124 und 7002 VV festgesetzt.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Landeskasse hat das LG als unbegründet verworfen und die weitere Beschwerde zugelassen. Diese hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen

Zu Recht und mit zutreffender Begründung haben das AG als auch die erkennende Kammer in der Beschwerdeentscheidung dem Verteidiger die Gebühren Nr. 4124 VV und Nr. 7002 VV, jeweils entstanden für das Berufungsverfahren, zuerkannt.

Ebenso war dem Verteidiger der Angeklagten eine Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV sowohl für das Ermittlungs- als auch für das Verfahren erster Instanz zuzusprechen. Diesbezüglich hat die erkennende Kammer wie folgt ausgeführt:

 
Hinweis

"Auch bezüglich der Gebühr Nr. 4141 VV hat das AG zurecht entschieden, dass diese – zweifach – zu erstatten ist."

1. Im Ausgangspunkt ist der Auffassung der Bezirksrevisorin zuzustimmen, dass die in Streit stehende "Befriedungsgebühr" den Zweck verfolge, Hauptverhandlungen zu verhindern (vgl. BGH NJW 2011, 3166 [= AGS 2011, 419]; Fischer, NJW 2012, 365). Nicht gefolgt werden kann jedoch der Ansicht, dass die Gebühr nur dann zum Tragen kommen könne, wenn dieses Ziel auch erreicht wird. Eine solche Auslegung von Nr. 4141 VV ist mit der Entstehungsgeschichte der Norm nicht vereinbar. Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 VV ist Nachfolgevorschrift des § 84 BRAGO. Bereits in dieser Vorschrift wurde – ebenso wie in der jetzigen Regelung – das Entstehen der Gebühr davon abhängig gemacht, dass das Verfahren "nicht nur vorläufig" eingestellt wird. In der Gesetzesbegründung zu § 84 BRAGO ist ausgeführt, dass mit dieser Regelung "Fälle der Verfahrenseinstellung mit dem Ziel der Endgültigkeit der Einstellung erfasst werden" (BT-Drucks 12/6962, S. 106; Hervorh. nicht im Original) sollen. Das Tatbestandsmerkmal "nicht nur vorläufig" werde verwendet, "weil in zahlreichen Fällen unter bestimmten Voraussetzungen auch nach derartigen Einstellungen das Verfahren wieder aufgenommen werden kann" (a.a.O). Dass hieran durch die Neufassung der Nr. 4141 VV etwas geändert werden sollte, lässt sich weder dem insoweit unverändert gebliebenen Wortlaut der Norm noch der von der Beschwerdeführerin in Bezug genommenen Gesetzesbegründung entnehmen. Dementsprechend wird auch von der h.M. in Rspr. u. Lit. die Gebühr bereits dann zugebilligt, wenn Staatsanwaltschaft und/oder Gericht subjektiv von einer endgültigen Einstellung ausgegangen sind, ohne dass es darauf ankäme, ob das Verfahren später doch fortgeführt wurde (Burhoff, RVG, 4. Aufl. 2014, Nr. 4141 VV, Rn 20, 25 m.w.N.).

Dem folgt die Kammer auch für den vorliegend in Rede stehenden Fall, dass das Verfahren aufgrund einer innerhalb der Frist des § 171 Abs. 1 StPO eingelegten Beschwerde des Anzeigenerstatters fortgeführt wird, da einer Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO keinerlei Rechtskraf...

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