RVG VV Vorbem. 3 Abs. 4, Nrn. 2300, 3100
Leitsatz
Haben mehrere Anspruchsteller ihren späteren Prozessbevollmächtigten zunächst jeweils gesondert mit der außergerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche beauftragt, liegen verschiedene Angelegenheiten vor, in denen jeweils eine Geschäftsgebühr aus dem jeweiligen Streitwert angefallen ist. Haben die Kläger ihren Prozessbevollmächtigten jedoch sodann beauftragt, bei der gerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche für sie gemeinsam tätig zu werden, liegt nur eine Angelegenheit vor und es entsteht auch nur eine Verfahrensgebühr, allerdings für mehrere Gegenstände. Die für den einzelnen Gegenstand angefallene Geschäftsgebühr ist nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV in der Höhe anzurechnen, wie es dem Anteil des jeweiligen Gegenstands am gerichtlichen Verfahren entspricht.
OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 23.6.2009 – 18 W 153/09
1 Sachverhalt
Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Forderungen der Kläger zu 1) und 2), zu 4), 5), 6), 7), 8), 9), 10), 11), 12), 15), 16), 17), 18), 19), und 20) gegen die Beklagte vorgerichtlich jeweils auf Grund selbständiger Geschäftsbesorgungsverträge geltend gemacht hatte, führten die Kläger gemeinsam im Wege subjektiver Klagenhäufung einen Rechtsstreit mit einem Streitwert von 996.332,01 EUR gegen die Beklagte. In diesem verurteilte das LG die Beklagte und bestimmte, dass die Beklagte auch die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Die gegen dieses Urteil von der Beklagten eingelegte Berufung wies das OLG zurück.
Auf den Kostenfestsetzungsantrag der Kläger hat das LG an Kosten erster Instanz 23.653,81 EUR zu Gunsten der Kläger gegen die Beklagte festgesetzt. Dabei ging das LG davon aus, dass erstinstanzlich Gerichtskosten in Höhe von 13.368,00 EUR entstanden sind und die außergerichtlichen Kosten der Kläger insgesamt 10.285,81 EUR betragen.
Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt. Sie beanstandet, dass das LG zu Gunsten der Kläger unter anderem eine Verfahrensgebühr in Höhe von 2.727,40 EUR sowie auf diese entfallende Umsatzsteuer in Höhe von 518,21 EUR, insgesamt 3.245,61 EUR, festgesetzt hat. Sie ist der Ansicht, auf Grund der vorgerichtlichen Tätigkeiten des Prozessbevollmächtigten der Kläger seien 18 Geschäftsgebühren angefallen, die sämtlich gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV auf die Verfahrensgebühr anzurechnen seien, so dass diese gänzlich entfalle.
Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Das LG hat im Ergebnis zu Recht zu Gunsten der Kläger Kosten in Höhe von 23.653,81 EUR gegen die Beklagte festgesetzt. Die Kosten, deren Erstattung die Beklagte gem. der Kostengrundentscheidung im Urteil des LG beanspruchen kann, betragen sogar 26.096,85 EUR. Indes kommt eine entsprechende Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht in Betracht, weil die die Beschwerde führende Beklagte gem. § 528 S. 2 ZPO analog nicht schlechter gestellt werden darf (vgl. Heßler, in: Zöller, § 572 ZPO, Rn 39) und die Kläger keine (Anschluss-)Beschwerde eingelegt haben.
a) Auf Grund des Tätigwerdens des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in erster Instanz ist gem. Nr. 3100 VV eine 1,3-Verfahrensgebühr aus einem Streitwert von 996.332,01 EUR in Höhe von 5.844,80 EUR entstanden, die gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV um 1.037,16 EUR vermindert ist und damit 4.807,64 EUR beträgt.
Gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV wird eine Geschäftsgebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 anteilig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet, wenn und soweit die außergerichtliche und die gerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts denselben Gegenstand betreffen. Dies gilt nach der std. Rspr. des Senats (u.a. Beschl. v. 29.10.2007–18 W 275/07; Beschl. v. 30.10.2007–18 W 282/07, Beschl. v. 14.10.2007–18 W 283/07 u. Beschl. v. 4.12.2007–18 W 296/07), die zwischenzeitlich auch vom BGH bestätigt worden ist (Beschl. v. 22.1.2008 – VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323; Beschl. v. 30.4.2008 – III ZB 8/08; Beschl. v. 3.6.2008 – VIII ZB 3/08; Beschl. v. 3.6.2008 – VI ZB 55/07), unabhängig davon, ob die Geschäftsgebühr auf materiellrechtlicher Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits ausgeglichen ist.
Vorliegend betraf die Angelegenheit, für die der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Verfahrensgebühr beanspruchen kann (vgl. § 15 Abs. 1, 2 RVG), indes mehrere Gegenstände. Während nämlich unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne das gesamte Geschäft zu verstehen ist, das der Rechtsanwalt gem. dem ihm erteilten Geschäftsbesorgungsauftrag erledigen soll, also durch den dem Rechtsanwalt erteilten Auftrag bestimmt wird, ist unter dem Gegenstand im gebührenrechtlichen Sinne das Recht oder Rechtsverhältnis zu verstehen, auf das sich die jeweilige anwaltliche Tätigkeit bezieht (vgl. Hartmann, KostG, 39. Aufl., Rn 27 zu § 7 RVG).
Vorgerichtlich hatten die Kläger zu 1) und 2), zu 4), 5), 6), 7), 8), 9), 10), 11), 12), 15), 16), 17), 18), 19), und 20) ihren späteren Prozessbevollmächtigte...