RVG VV Nr. 3100; ZPO §§ 91, 103, 104, 796a, 796b
Leitsatz
Durch die Tätigkeit des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren zur Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs entsteht eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV.
OLG München, Beschl. v. 14.8.2009–11 WF 1361/09
1 Sachverhalt
Das AG hatte durch Beschluss auf Antrag der Klägerin den von den Parteien abgeschlossenen und niedergelegten Anwaltsvergleich für vollstreckbar erklärt. Die Kosten des Verfahrens sind der Klägerin auferlegt worden.
Anschließend meldete die Beklagtenpartei ihre Kosten an, die sie auf der Basis einer 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer berechnete. Diese Kosten wurden antragsgemäß festgesetzt.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Zur Begründung führt sie aus, im Verfahren gem. § 796b ZPO falle nur eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV an. Mit der Vollstreckbarerklärung des Anwaltsvergleichs werde kein vollstreckbarer Titel geschaffen, sondern lediglich die Zwangsvollstreckung vorbereitet. Der vollstreckbare Titel liege bereits mit dem Anwaltsvergleich vor, in dem sich der Schuldner der Zwangsvollstreckung unterworfen habe. Es sei somit nur eine Vollstreckungsklausel erwirkt worden, weshalb nur die Gebühren für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen anfielen. Die materiell-rechtliche Tätigkeit des Anwalts sei durch die außergerichtliche Geschäfts- und Einigungsgebühr abgegolten. Die Gebühren seien damit nur in geringerer Höhe festzusetzen.
Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Der Rechtspfleger hat zutreffend eine 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV festgesetzt.
1. Eine 1,3-Verfahrensgebühr gem. der Nr. 3100 VV fällt in allen gerichtlichen Verfahren erster Instanz an, auf die Teil 3 VV anzuwenden ist, wenn nicht in den folgenden Abschnitten besondere Gebühren vorgesehen sind. Die Nrn. 3100 ff. VV haben also die Bedeutung einer Auffangregelung für alle in Teil 3 VV geregelten gerichtlichen Verfahren (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., VV 3100 Rn 4).
2. Die Funktion der Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs besteht darin, eine Privaturkunde in eine öffentliche Urkunde mit Titelfunktion umzuwandeln. Vollstreckungstitel ist entgegen der Auffassung der Klägerin in diesem Fall nicht der Vergleich selbst, auch wenn sich der Beklagte darin der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, sondern der gerichtliche Beschluss über dessen Vollstreckbarkeit. Mit Zwangsvollstreckung hat die Vollstreckbarerklärung also noch nichts zu tun (MünchKommZPO-Wolfsteiner, § 796a Rn 28).
a) Für ein Zwangsvollstreckungsverfahren ist nämlich das Vorliegen eines Titels bereits Voraussetzung. Im Falle der Vollstreckbarerklärung hat das Prozessgericht, dessen Zuständigkeit gem. § 796b ZPO gegeben ist, dagegen vorweg zu prüfen, ob der Vergleich ordnungsgemäß zustande gekommen und damit wirksam ist. Deshalb ist auch die funktionelle Zuständigkeit des Richters gegeben und nicht die des Rechtspflegers oder gar des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, wie dies bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel (§§ 724, 725 ZPO), die das Vorliegen eines Titels voraussetzt, der Fall ist.
b) Bei der Vollstreckbarerklärung handelt es sich dagegen um eine Maßnahme, die erst einen Titel schafft und damit die Vollstreckbarkeit des Anwaltsvergleichs herbeiführt.
3. Durch die Tätigkeit der Beklagtenvertreter im vorliegenden gerichtlichen Verfahren ist somit eine 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV entstanden und auch zu erstatten (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, a.a.O.; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 36 Rn 21; Zöller/Geimer, ZPO, 27. Aufl., § 796a Rn 30; Musielak/Voit, ZPO, 6. Aufl., § 796b Rn 5). Der Gegenmeinung, die von einer Tätigkeit des Rechtsanwalts in der Zwangsvollstreckung ausgeht und nur eine 0,3-Verfahrensgebühr gem. der Nr. 3309 VV zubilligt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 796b Rn 7; Hartmann, KostG, 39. Aufl., Nr. 1000 VV Rn 12), folgt der Senat aus den oben genannten Gründen nicht.
Mitgeteilt vom 11. Zivilsenat des OLG München