ZPO §§ 240, 249, 511 ff.; GKG § 6 Abs. 1
Leitsatz
Legt der Insolvenzverwalter "aus anwaltlicher Vorsicht" Berufung gegen ein Urteil ein, das aufgrund mündlicher Verhandlung vor Eintritt der Unterbrechungswirkung ergangen ist, so fallen die Gebühren nach § 6 Abs. 1 GKG, Nr. 1220 GKG-KostVerz. auch dann an, wenn der Schriftsatz den formalen Anforderungen an eine Berufungsschrift nicht entspricht und er zudem den Zusatz enthält, dass das Rechtsmittel unter dem Vorbehalt der Aufnahme des Rechtsstreits stehe.
OLG Köln, Beschl. v. 26.10.2009–17 W 190/09
1 Sachverhalt
Auf den Termin zur mündlichen Verhandlung wurde am 14.12.2007 ein Urteil verkündet. Damit wurde eine einstweilige Verfügung wieder aufgehoben, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie der Antrag auf Löschung einer im Grundbuch eingetragenen Vormerkung zurückgewiesen.
Am 17.6.2008 erließ der Rechtspfleger einen Kostenfestsetzungsbeschluss zugunsten des Antragsgegners im einstweiligen Verfügungsverfahren, der den im Verfügungsverfahren für die Antragstellerin tätig gewordenen Rechtsanwälten zugestellt wurde. Mit Schriftsatz v. 17.7.2008 bestellten sich die heutigen Verfahrensbevollmächtigten und teilten mit, dass über das Vermögen der Antragstellerin bereits mit Beschl. des AG v. 10.12.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. S. zum Insolvenzverwalter bestellt worden sei. Unter Hinweis auf die Unterbrechungswirkung gem. § 240 ZPO wurde "aus anwaltlicher Vorsicht" sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegt. Mit einem weiteren Schriftsatz vom 6.8.2008 legte der Insolvenzverwalter ebenfalls "aus anwaltlicher Vorsicht" darüber hinaus "unter dem Vorbehalt der Aufnahme des Rechtsstreites" Berufung gegen das landgerichtliche Urteil ein. Des Weiteren heißt es in dem Schriftsatz, dass diese Erklärung nicht als Aufnahme des Verfahrens zu verstehen sei. Trotzdem wurde die Sache dem Berufungsgericht vorgelegt, und sie erhielt ein entsprechendes Aktenzeichen. Der zuständige Senat des OLG Köln legte die Akte zunächst sechs Monate auf Frist. Da das Verfahren in dieser Zeit nicht betrieben wurde, wurde sie bei Ablauf weggelegt. Seitens der Gerichtskasse wurden dem Insolvenzverwalter 876,00 EUR unter Berufung auf Nr. 1220 KV-GKG für das Berufungsverfahren in Rechnung gestellt.
Hiergegen wendet er sich unter Hinweis darauf, dass Berufung lediglich unter dem Vorbehalt der Aufnahme des Rechtsstreites durch ihn eingelegt worden sei. Da letzteres nicht erfolgte, fehle es an einem Berufungsverfahren, so dass auch keine Verfahrenskosten angefallen sein könnten.
Die Verwaltungsabteilung des OLG Köln ist dagegen der Ansicht, die Verfahrensgebühr sei mit Einreichung der Rechtsmittelschrift fällig geworden. Eine Ausnahme für unter Vorbehalt eingelegte Rechtsmittel sei dort nicht vorgesehen. Zur Stützung bezieht sie sich auf eine Entscheidung des BGH, die allerdings die Einlegung der Berufung im Zusammenhang mit einem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe betrifft.
2 Aus den Gründen
Die als Erinnerung auszulegende Eingabe des Insolvenzverwalters, mit der er sich gegen die Kostenrechnung v. 8.4.2009 wendet, ist gem. § 66 Abs. 1 GKG zulässig, hat aber in der Sache selbst keinen Erfolg.
1. Die Kostenrechnung ist zu Recht ergangen. Die Voraussetzungen für das Fälligwerden der Gebühr im Allgemeinen nach § 6 Abs. 1 GKG liegen vor, weil durch den Erinnerungsführer ein Verfahren eingeleitet worden ist, durch das eine Gebührenschuld entstanden ist. Dies ergibt sich aufgrund einer am objektiven Erklärungswert orientierten Auslegung i.V.m. den Begleitumständen. Hierzu heißt es im Beschluss des BGH v. 22.12002 – VI ZB 51/01, NJW 2002, 1352 = MDR 2002, 775: "Ob eine Berufung eingelegt ist, ist im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der sonst vorliegenden Unterlagen zu entscheiden. Dabei sind – wie auch sonst bei der Auslegung von Prozesserklärungen – alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen, die dem Gericht bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist bekannt geworden sind und dem Rechtsmittelgegner zugänglich waren. Die Auslegung von Prozesserklärungen...hat den Willen des Erklärenden zu beachten, wie er den äußerlich in Erscheinung getretenen Umständen üblicherweise zu entnehmen ist..." Bei Beachtung dieser Grundsätze hat der Erinnerungsführer ein Rechtsmittel eingelegt, auch wenn dieses unzulässig war.
2. Zwar spricht der Umstand, dass der Schriftsatz vom 6.8.2008 an das LG gerichtet war, obwohl richtiger Adressat für die Einreichung einer Berufungsschrift das Berufungsgericht, also das OLG, gewesen wäre, § 519 Abs. 1 ZPO, dagegen, dass der Insolvenzverwalter bezweckte, das erstinstanzliche Urteil anzugreifen und deshalb die Unterbrechungswirkung beseitigen wollte. Es kommt hinzu, dass der Schriftsatz im Zusammenhang mit einem kurz zuvor erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss stand, mithin objektiv nicht zwingend so aufgefasst werden kann, dass dadurch ein Rechtsmittelverfahren gegen die Entscheidung des LG in der Hauptsache eingeleitet werden sollte. Des...