RVG VV Nr. 5115

Leitsatz

Die Befriedungsgebühr (zusätzliche Verfahrensgebühr – Erledigungsgebühr) ist nach Beginn einer Hauptverhandlung ausgeschlossen.

LG Detmold, Beschl. v. 1.10.2009–4 Qs 91/09

1 Sachverhalt

Gegen den Betroffenen, wurde wegen des Verdachts einer Geschwindigkeitsübertretung ein Ordnungswidrigkeitenverfahren betrieben. In der Hauptverhandlung ließ sich der Betroffene über seinen Verteidiger dahingehend ein, dass nicht er selbst, sondern ein ihm bekannter Zeuge den Geschwindigkeitsverstoß begangen habe. Nachdem die Verhandlung daraufhin ergebnislos vertragt wurde, kam es zu weiteren polizeilichen Ermittlungen, in deren Verlauf sich die Einlassung des Betroffenen bestätigte. Das gegen ihn gerichtete Verfahren wurde daraufhin nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen wurden der Staatskasse auferlegt.

Daraufhin beantragte der Verteidiger für den freigesprochenen Betroffenen die Festsetzung der entstandenen Kosten, darunter auch einer zusätzlichen Gebühr nach Nr. 5115 VV.

Das Gericht setzte die zusätzliche Gebühr ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass zum einen die Erledigungsgebühr abzusetzen sei. Eine verfahrensfördernde Handlung, die erst nach der ersten Hauptverhandlung vorgenommen worden sei und zur Einstellung geführt habe, sei nicht ersichtlich.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene mit seiner fristgemäß eingelegten sofortigen Beschwerde. Er ist der Auffassung, dass auch die Gebühr nach Nr. 5115 VV entstanden sei. Der Tatbestand der Norm sei bereits dann erfüllt, wenn ein irgendwie geartetes Handeln des Verteidigers vorhanden sei, welches sich in kausaler Art und Weise auf die spätere Einstellung ausgewirkt habe. Eine Mitwirkung in diesem Sinne sei aufgrund des in der Hauptverhandlung erfolgten Bestreitens der Fahrereigenschaft anzunehmen. Die zulässige sofortige Beschwerde hatte insoweit keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen

Denn die Gebühr nach Nr. 5115 VV ist vorliegend nicht entstanden. Ihrem Wortlaut nach entsteht eine zusätzliche Gebühr in Höhe der jeweiligen Verfahrensgebühr unter anderem dann, wenn das Verfahren aufgrund einer anwaltlichen Mitwirkung, durch welche die Hauptverhandlung entbehrlich wurde, eingestellt wurde.

Nach Auffassung der Kammer steht der Anwendbarkeit dieser Norm im vorliegenden Fall schon entgegen, dass es bereits zu einer Hauptverhandlung gekommen ist. Schon der Wortlaut der Norm legt nahe, dass der Tatbestand nur im Fall der vollständigen Vermeidung einer Hauptverhandlung erfüllt ist.

Für dieses restriktive Verständnis sprechen auch Sinn und Zweck der Norm. Denn durch die Gebühr nach Nr. 5115 VV soll verhindert werden, dass sich eine auf Vermeidung einer Hauptverhandlung gerichtete anwaltliche Mitwirkung infolge des Wegfalls der Hauptverhandlungsgebühr als wirtschaftlich nachteilig herausstellt. Nach Auffassung der Kammer schließt daher die Einstellung nach dem Beginn einer Hauptverhandlung das Entstehen der Erledigungsgebühr grundsätzlich aus (vgl. auch Hartmann, KostG, 39. Aufl., Nr. 4141 VV Rn 3 m. w. Nachw.).

Ob dem Entstehen der Gebühr darüber hinaus entgegensteht, dass vorliegend durch eine in – und nicht nach – der Hauptverhandlung erfolgte Handlung des Verteidigers die zur Einstellung führende Ursachenkette in Gang gesetzt wurde, kann hiernach dahinstehen.

Mitgeteilt von Ass. jur. Udo Henke, Elmshorn

3 Anmerkung

Die Entscheidung des LG Detmold ist falsch und widerspricht der ganz h.M.

Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt, so muss mit ihr von vorne neu begonnen werden. Es ist also wieder ein erneuter erster Hauptverhandlungstermin erforderlich. Ein Anwalt, der vor einem solchen erneuten ersten Hauptverhandlungstermin daran mitwirkt, dass sich dieser Termin durch Einstellung, Einspruchsrücknahme oder Einverständnis mit dem schriftlichen Verfahren erledigt, soll dafür die zusätzliche Gebühr erhalten.

Nach der Auslegung des LG Detmold würde der Zweck der Nr. 5115 in sein Gegenteil verkehrt, weil gerade kein Anreiz bestünde, die Sache vorzeitig zu erledigen, sondern im Gegenteil ein Anreiz bestünde, die Erledigung erst im erneuten ersten Hauptverhandlungstermin herbeizuführen, weil der Anwalt dann eine weitere Terminsgebühr erhielte.

Die ganz überwiegende Rspr. spricht daher sowohl in Strafsachen als auch in Bußgeldsachen eine zusätzliche Gebühr zu, wenn sich das Verfahren nach einem ausgesetzten Hauptverhandlungstermin unter Mitwirkung des Verteidigers erledigt und eine erneute Hauptverhandlung entbehrlich wird.

Bußgeldsachen

  AG Tiergarten (Einstellung nach Hauptverhandlung),[3]
  AG Dessau (Übergang in das Beschlussverfahren nach § 72 OwiG),[4]
  AG Köln (Übergang in das Beschlussverfahren nach § 72 OwiG),[5]

Strafsachen

  AG Bad Urach (Rücknahme Strafbefehlsantrag und Einstellung nach Hauptverhandlung),[6]
  LG Düsseldorf (Rücknahme Strafbefehlsantrag und Einstellung nach Hauptverhandlung),[7]
  OLG Hamm (Einstellung im Berufungsverfahren nach Hauptverhandlung),[8]
  OLG Bamberg (Berufungsrücknahme nach Hauptverhandlung),[9]
  AG O...

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