Die Entscheidung des AG Bremen halte ich für unzutreffend. Das AG Bremen stand vor einem Dilemma und hat dies kurz, bündig und radikal gelöst, was durchaus auch etwas für sich hat.

Auf der anderen Seite wäre es zu billig, das AG Bremen dafür zu kritisieren, dass die beteiligten Anwälte bei Abschluss des Vergleichs nicht aufgepasst haben.

Fälle dieser Art kommen häufig vor und führen ständig zu Problemen. Insoweit ist es erstaunlich, dass sich die Rspr. erst jetzt mit diesem Thema befassen musste.

Die Grundkonstellation ist einfach und kommt ständig vor.

 
Praxis-Beispiel

Eingeklagt wird eine Forderung in Höhe von 5.000,00 EUR sowie eine daraus vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr in Höhe von

 
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV  
  (Wert: 5.000,00 EUR) 391,30 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
  Zwischensumme 411,30 EUR
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 78,15 EUR
  Gesamt 489,45 EUR

Im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren schließen die Parteien einen Vergleich, wonach zum Ausgleich der Klageforderung 4.000,00 EUR gezahlt werden und der Beklagte 4/5 der Kosten trägt, der Kläger 1/5.

Nach § 15a Abs. 2 RVG ist die Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren insoweit zu berücksichtigen, als die Geschäftsgebühr in der Hauptsache tituliert worden ist.

Eindeutig wäre die Rechtslage, wenn die Parteien sich dahingehend verglichen hätten, dass der Beklagte 4.000,00 EUR zahle und eine 1,3-Geschäftsgebühr aus 4.000,00 EUR, also netto 318,50 EUR.

In diesem Falle wäre eine 0,65 Geschäftsgebühr aus 4.000,00 EUR anzurechnen, also 159,25 EUR.

Die Parteien sind jedoch nicht so verfahren, sondern haben unreflektiert zwei Klageforderungen gemeinsam verglichen, nämlich die Hauptforderung sowie die Nebenforderung, und zwar ohne im Vergleich klarzustellen, inwieweit die Vergleichsforderung auch die Kosten erfasst.

Denkbar sind verschiedene Varianten:

Erste Möglichkeit: Die Vergleichssumme erfasst nur die Hauptforderung.

In diesem Falle wären die vorgerichtlichen Kosten nicht tituliert. Nach § 15a Abs. 2 RVG hätte eine hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren zu unterbleiben.

Zweite Möglichkeit: In der Vergleichssumme sind die Kosten anteilig enthalten.

Dies würde dann folgende Berechnung ergeben:

Die Summe von Haupt- und Nebenforderung beläuft sich auf 5.000,00 EUR + 489,45 EUR = 5.489,45 EUR.

Tituliert worden sind insgesamt 4.000,00 EUR. Dies sind 72,8658503 % der eingeklagten Forderungen.

Dies würde also für Hauptforderung einen titulierten Anteil in Höhe von 5.000,00 EUR x 72,8658503 % = 3.643,30 EUR ergeben und für die Kosten in Höhe von 489,45 EUR x 72,8658503 % = 356,70 EUR. Das bedeutet, dass von der Netto-Geschäftsgebühr 391,30 EUR x 72,8658503 % = 285,12 EUR tituliert wären. Anzurechnen wären dann also 142,56 EUR.

Dritte Möglichkeit: Eine dritte Möglichkeit besteht darin, anzunehmen, es sei eine bestimmte Hauptforderung tituliert und daraus die volle 1,3-Geschäftsgebühr. Das ergäbe dann eine Hauptforderung in Höhe von

3.597,18 EUR

sowie eine

 
1.

1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV

(Wert: 3.597,18 EUR)
318,50 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
  Zwischensumme 338,50 EUR
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 64,32 EUR
  Summe 402,82 EUR
  Gesamt 4.000,00 EUR
  Anzurechnen wären dann 159,25 EUR

Vierte Möglichkeit: Denkbar wäre auch, dass die volle Kostenforderung im Vergleich tituliert ist und damit auf die Nebenforderung lediglich der Rest entfällt. Das ergäbe dann eine Hauptforderung in Höhe von

3.510,55 EUR

sowie eine

 
1.

1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV

(Wert: 5.000,00 EUR)
391,30 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
  Zwischensumme 411,30 EUR
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 78,15 EUR
  Gesamt 489,45 EUR
  Gesamt 4.000,00 EUR
  Anzurechnen wären dann 195,68 EUR

Sicherlich lassen sich noch weitere Berechnungsmethoden finden.

Das Dilemma, vor dem der Festsetzungsbeamte steht, ist das, dass er die Kostenregelung des Vergleichs nach §§ 133, 157 BGB auslegen muss. Er muss also den Willen der Parteien ermitteln, also das, was die Parteien sich bei Abschluss des Vergleichs gedacht haben. Darin liegt aber ein Problem, weil die Parteien bzw. ihre Anwälte bei Abschluss des Vergleichs offenbar gar nichts gedacht haben.

Die Beantwortung der Frage, was hier wohl die Absicht der Beteiligten war, läuft damit auf eine "Kaffeesatz-Leserei" hinaus. Von daher hat die radikale Lösung des AG Bremen durchaus einen gewissen Charme. Wenn die Anwälte nicht in der Lage sind, einen vernünftigen Vergleich abzuschließen, warum soll sich dann der Kostenfestsetzungsbeamte den Kopf darüber zerbrechen, was vernünftige Prozessbevollmächtigte gedacht haben könnten. Eine Beantwortung dieser Frage wird kaum möglich sein, weil vernünftige Prozessbevollmächtigte im Vergleich klargestellt hätten, was mit der Zahlung der 4.000,00 EUR abgegolten sein soll.

So hätte die Möglichkeit bestanden, sich in der Hauptsache auf 4.000,00 EUR zu einigen und auf die Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskos...

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