RVG §§ 58 Abs. 3, 46 Abs. 1, 15; RVG VV Nr. 7002
Leitsatz
- Zahlungen, die ein Pflichtverteidiger für seine Tätigkeit im Ermittlungsverfahren von seinem Mandanten erhalten hat, sind nach § 58 Abs. 3 RVG auf seine Pflichtverteidigergebühren für die gesamte erste Instanz anzurechnen.
- In Strafsachen ist das gleiche Strafverfahren stets als die gleiche Angelegenheit anzusehen. Die Pauschale nach Nr. 7002 VV kann daher für das gesamte erstinstanzliche Verfahren nur einmal beansprucht werden.
- Kosten einer Informationsreise des Pflichtverteidigers sind regelmäßig nur bei besonderen Umständen erstattungsfähig.
OLG Köln, Beschl. v. 19.12.2008–2 Ws 626/08
1 Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war Pflichtverteidiger. Die Rechtspflegerin des LG hat seinen Antrag auf Festsetzung seiner Pflichtverteidigergebühren und Auslagen insoweit zurückgewiesen, als die Pauschale nach Nr. 7002 VV doppelt beansprucht worden ist und als Reisekosten und Abwesenheitsgeld für drei Geschäftsreisen geltend gemacht worden sind. Außerdem hat die Rechtspflegerin einen erhaltenen Vorschuss in Höhe von 1.260,50 EUR auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung mit 229,10 EUR angerechnet. Seine dagegen gerichtete Erinnerung hat das LG zurückgewiesen.
Die dagegen eingelegte Beschwerde, der das LG nicht abgeholfen hat, blieb ohne Erfolg.
2 Aus den Gründen
Der Senat tritt der angefochtenen Entscheidung in allen Punkten bei. Mit der Beschwerde werden keine neuen Gesichtspunkte vorgebracht, so dass der Senat sich auf folgende Anmerkungen beschränkt:
a) Hinsichtlich der Anrechnung des Vorschusses entspricht die Entscheidung des LG über die zitierte Rspr. hinaus auch der Rspr. des Senats. Der Senat hat mit Beschl. v. 3.6.2008–2 Ws 207/08 – entschieden, dass Vorschüsse, die ein Pflichtverteidiger für seine Tätigkeit im Ermittlungsverfahren erhalten hat, auf seine Pflichtverteidigergebühren und Auslagen für die erste Instanz nach § 58 Abs. 3 RVG anzurechnen sind. Dieses Ergebnis ist weder durch die Gestaltung des Kostenfestsetzungsantrages noch durch Honorarvereinbarungen zu umgehen (Riedel/Sußbauer-Schmahl, RVG, 9. Aufl., § 58 Rn 25).
Zur Begründung hat der Senat u.a. ausgeführt: "Nach § 58 Abs. 3 S. 1 RVG sind Vorschüsse und Zahlungen, die der Verteidiger für bestimmte Verfahrensabschnitte erhalten hat, auf die von der Staatskasse für diese Verfahrensabschnitte zu zahlenden Gebühren anzurechnen."
Zu der Frage, wie der Begriff der "bestimmten Verfahrensabschnitte" zu verstehen ist, bestehen in der Rspr. unterschiedliche Auffassungen. Teilweise wird § 58 Abs. 3 RVG dahin verstanden, dass Vorschüsse auf in der gleichen Instanz entstandene Gebühren anzurechnen sind; das soll ausdrücklich auch für die Tätigkeit des Verteidigers im Ermittlungsverfahren gelten (OLG Oldenburg, Beschl. v. 10.5.2007–1 Ws 220/07; OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.7.2007–2 Ws 161/07).
Demgegenüber hat das OLG Frankfurt entschieden, dass die Auffassung (der Vorinstanz), Vorschüsse aus dem Ermittlungsverfahren seien auf die Gebühren des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen, in dieser Allgemeinheit unzutreffend sei (Beschl. v. 14.12.2006–2 Ws 164/06 = NStZ-RR 2007, 328).
Im Schrifttum wird der Begriff der "bestimmten Verfahrensabschnitte" überwiegend einschränkend so verstanden, dass sich der Verteidiger Zahlungen, die er für seine Tätigkeit in der ersten Instanz erhält, auf die Pflichtverteidigergebühren der gleichen Instanz anrechnen lassen muss; es komme als Maßstab für die Beurteilung der Anrechenbarkeit von Vorschüssen "meist das ganze Verfahren" in Betracht; Voraussetzung der Anrechnung sei, dass die Zahlung in derselben Angelegenheit erfolgt sei; Vorschüsse aus anderen Instanzen seien nicht anzurechnen (Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 16. Aufl., § 58 Rn 36; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 58 Rn 70; AnwK-RVG/Schnapp/N. Schneider, 3. Aufl., § 58 Rn 36; Mayer/Kroiß, RVG, 1. Aufl., § 58 Rn 16; Bischof/Bräuer, RVG, 2. Aufl., § 58 Rn 19; Hartmann, KostG, 38. Aufl., § 58 RVG, Rn 19 f.).
Abweichend hiervon vertritt Burhoff die – auch vom Beschwerdeführer geteilte – Auffassung, dass das Ermittlungsverfahren einen bestimmten Verfahrensabschnitt i.S.d. § 58 Abs. 3 RVG darstelle und dementsprechend Zahlungen auf das Ermittlungsverfahren nicht anzurechnen seien (Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., § 58 Rn 14 ff.).
Der Senat folgt der Auffassung der Oberlandesgerichte Oldenburg und Stuttgart, die überwiegend auch im Schrifttum vertreten wird. Die gegenteilige Ansicht von Burhoff ist zwar mit dem Wortlaut des Gesetzes, das eine Bestimmung des Begriffs "Verfahrensabschnitt" nicht enthält, nicht unvereinbar. Sie widerspricht aber dem gesetzgeberischen Willen, wie er in der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zum Ausdruck gekommen ist, worauf bereits das LG zutreffend hingewiesen hat.
§ 58 Abs. 3 RVG ist an die Stelle von § 101 Abs. 1 und 2 BRAGO getreten, ohne dass eine inhaltliche Änderung – etwa im Sinne einer Einschränkung der Anrechnungsmöglichkeit von Zahlungen – beabsichtigt war. Es sollte durch die Neuregelung vielmehr ledi...