RVG VV Nr. 3305

Leitsatz

Ist die anwaltliche Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV tituliert und dem Erkenntnisverfahren ein Mahnverfahren mit gleichen Gegenstandswerten vorausgegangen, ist bei der Kostenfestsetzung die gem. Nr. 3305 VV entstandene Verfahrensgebühr für die Tätigkeit im Mahnverfahren auf die gem. Nr. 3100 VV entstandene Verfahrensgebühr in vollem Umfang anzurechnen.

BGH, Beschl. v. 28.10.2010 – VII ZB 116/09

Sachverhalt

Die Kläger haben die Beklagte auf Schadensersatz aus einem Bauträgervertrag in Anspruch genommen. Das LG hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 12.376,00 EUR nebst Zinsen sowie von 1.025,30 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten verurteilt. Dem Hauptsacheverfahren ging ein Mahnverfahren voraus, in dem dieselben Ansprüche geltend gemacht worden sind.

Im Kostenfestsetzungsverfahren haben die Kläger die Geschäftsgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die 1,3-fache Verfahrensgebühr für die Vertretung des Antragstellers im Mahnverfahren, Nr. 3305 VV, angerechnet. Auf die Verfahrensgebühr für das streitige Verfahren, Nr. 3100 VV, haben sie die Verfahrensgebühr für die Vertretung des Antragstellers im Mahnverfahren nur in Höhe des Restes von 0,55 angerechnet. Das LG hat statt der insoweit begehrten 893,60 EUR netto 499,10 EUR netto festgesetzt. Es hat nach Abzug der anteiligen Geschäftsgebühr die Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV in vollem Umfang auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV angerechnet. Das Beschwerdegericht hat die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss gerichtete sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die von ihm zugelassene Rechtsbeschwerde der Kläger, die ihren Antrag weiterverfolgen.

Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg

Aus den Gründen

1. Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, dass das zwischengeschaltete Mahnverfahren an der Berechnung der Verfahrensgebühr nichts ändere. Sowohl die Gebühr nach Nr. 3305 VV als auch die nach Nr. 3100 VV seien Verfahrensgebühren i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 4 VV. Beide würden mithin nach dieser Anrechnungsvorschrift wegen der entstandenen und titulierten außergerichtlichen 1,6-fachen Geschäftsgebühr auf 0,55 bzw. 0,85 reduziert. Auf die verbleibende 0,85-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV sei die verbleibende Verfahrensgebühr für das Mahnverfahren anzurechnen. An sich verbleibe demnach rechnerisch insgesamt eine 0,85-fache Verfahrensgebühr aus 12.376,00 EUR, mithin 447,10 EUR netto. Der geringere Wert beruhe darauf, dass das LG den Gegenstandswert des Mahnverfahrens zu Unrecht mit 13.401,30 EUR angenommen habe. Dies sei für die Beschwerde aber wegen § 528 S. 2 ZPO (analog) ohne Belang, nachdem sich dieser Fehler nur zugunsten der Kläger auswirke. Eine Anrechnung der außergerichtlichen Geschäftsgebühr habe zu erfolgen, nachdem diese tituliert sei. Aus § 15a RVG ergebe sich deshalb nichts anderes.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr steht nicht entgegen, dass die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs. 4 VV grundsätzlich nur das Innenverhältnis zwischen Mandant und Anwalt betrifft (vgl. BGH, Beschl. v. 2.9.2009 – II ZB 35/07, NJW 2009, 3101 [= AGS 2009, 466]; Beschl. v. 9.12.2009 – XII ZB 175/07, FamRZ 2010, 456 [= AGS 2010, 54]; Beschl. v. 11.3.2010 – IX ZB 82/08, AGS 2010, 159; Beschl. v. 29.4.2010 – V ZB 38/10, AGS 2010, 263; Beschl. v. 10.8.2010 – VIII ZB 15/10). Denn eine Anrechnung hat in den Fällen zu erfolgen, die nunmehr in § 15a Abs. 2 RVG gesetzlich geregelt sind (BGH, Beschl. v. 29.4.2010 – V ZB 38/10, a.a.O.). Nachdem die außergerichtliche Geschäftsgebühr voll tituliert worden ist, ist die Anrechnung auch im Verhältnis zu Dritten im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen (jetzt: § 15a Abs. 2 Var. 2 RVG).

b) Auch die Anrechnungsregeln hinsichtlich der im Mahnverfahren entstandenen Gebühren wirken sich im Verhältnis zu Dritten aus, § 15a Abs. 2, 3 Alt. RVG (vgl. Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., § 15a Rn 23).

c) Das Beschwerdegericht hat die Anrechnung im Ergebnis zutreffend vorgenommen. Seine Annahme, das LG habe den Gegenstandswert für das Mahnverfahren im Kostenfestsetzungsverfahren zugunsten der Kläger zu hoch angesetzt, was sich nicht auswirke, ist frei von Rechtsfehlern.

aa) Die Lösung des Beschwerdegerichts entspricht im Ergebnis der h.M. (vgl. OLG Köln, AGS 2009, 476; Meyer, JurBüro 2008, 16, 17; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., VV Vorbem. 3 Rn 209 f.; Enders, JurBüro 2005, 243, 244; Bräuer in Festschrift Madert 2006, S. 9, 18 f.; vgl. auch OLG Stuttgart JurBüro 2008, 526 [= AGS 2008, 384], zur vergleichbaren Lage nach vorangegangenem selbstständigen Beweisverfahren). Überwiegend wird die Berechnung der Gebühren im Falle des nach außergerichtlicher Geschäftsbesorgung zunächst im Mahnverfahren und anschließend im Hauptverfahren in derselben Sache tätigen Rechtsanwalts in der Weise vorgenommen, dass auf die Verfahrensgebühr für die Vertretung des Antragstellers im Mahnverfahren die Geschäftsgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV angerechn...

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