Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Zusammenfassung
Am 28.10.2010 ist das „Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2005/214/JI des Rates vom 24.2.2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen“ (Europäisches Geldsanktionengesetz; BGBl I, S. 1408) in Kraft getreten. Ziel ist die grenzüberschreitende Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen in der Europäischen Union. Das gilt sowohl für in Deutschland verhängte als auch für ausländische Geldsanktionen. Bislang existierte eine funktionierende, auch die Vollstreckung von Sanktionen wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten einschließende bilaterale Regelung lediglich im Verhältnis zu Österreich. Die Umsetzung des Rahmenbeschlusses erfolgt durch Regelungen im Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG), insbesondere durch die Neufassung von §§ 86 und 87 IRG und die Einfügung der neuen §§ 87a bis 87p IRG. Die Einnahmen aus der Vollstreckung ausländischer Geldsanktionen fließen gem. § 87n Abs. 1 S. 1 IRG grundsätzlich in die Bundeskasse, nach Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens gem. §§ 87h oder 87 i IRG jedoch in die Kasse des Bundeslandes, in dem das zuständige AG seinen Sitz hat. Das Gesetz enthält darüber hinaus auch Änderungen kostenrechtlicher Bestimmungen, nämlich der JVKostO, des GKG und des RVG.
§ 98 IRG enthält eine Stichtagsregelung. Danach sind die §§ 86 ff. IRG nur anwendbar, wenn die Geldsanktionen in den Fällen des § 87 Abs. 2 Nr. 1 und 4 IRG nach dem 27.10.2010 rechtskräftig geworden sind bzw. wenn in den Fällen des § 87g Abs. 2 Nr. 2 und 3 IRG die nicht gerichtliche Entscheidung über die Geldsanktion nach dem 27.10.2010 ergangen ist. Ausländische behördliche Entscheidungen dürfen somit nur vollstreckt werden, wenn sie nach dem 27.10.2010 erlassen, bzw. – bei gerichtlichen Entscheidungen – nach diesem Zeitpunkt rechtskräftig wurden.
I. Verfahrensgang
§§ 87 bis 87 n IRG regeln das Verfahren bei eingehenden Ersuchen, während sich § 87o IRG mit dem Verfahren bei ausgehenden Ersuchen beschäftigt. Es ist zunächst zu unterscheiden zwischen dem Verfahren vor der Bewilligungsbehörde (§ 87c IRG), dem erstinstanzlichen Verfahren vor dem AG (§ 87g Abs. 1 S. 2 u. 3 IRG) sowie dem Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht (§ 87l IRG). Bewilligungsbehörde ist im Verfahren auf Bewilligung der Vollstreckung einer ausländischen Geldsanktion gem. § 74 Abs. 1 S. 4 IRG das Bundesamt für Justiz in Bonn.
Im Verfahren auf Bewilligung der Vollstreckung einer ausländischen Geldsanktion sind folgende Verfahrensabschnitte vorgesehen:
1. Prüfungsverfahren
Geht ein Ersuchen um Vollstreckung einer Geldsanktion beim Bundesamt für Justiz ein, prüft das Bundesamt zunächst, ob die erforderlichen Unterlagen vorliegen (§ 87a IRG). Anschließend prüft das Bundesamt, ob der Vollstreckung abweichend vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung ausnahmsweise ein Ablehnungsgrund entgegensteht. Das Gesetz unterscheidet zwischen Zulässigkeitsvoraussetzungen und dem behördlichen Ermessen unterliegenden Bewilligungshindernissen. Verneint das Bundesamt die Zulässigkeit der Vollstreckung oder macht es ein Bewilligungshindernis geltend, so lehnt es die Vollstreckung der Geldsanktion ab (§ 87c Abs. 2 Nr. 1 und 2 IRG).
2. Anhörungsverfahren
Wird das Verfahren nach Prüfung fortgesetzt, prüft das Bundesamt, ob ein Antrag auf Umwandlung der ausländischen Entscheidung durch das zuständige AG zu stellen ist (vgl. §§ 87c Abs. 2 Nr. 3, 87 i Abs. 1 IRG). Eine solche Antragspflicht besteht, wenn die übermittelte Entscheidung gegen einen bestimmten, im Gesetz aufgeführten Kreis von Betroffenen gerichtet ist oder wenn der andere Mitgliedstaat eine Sanktion verhängt hat, die das deutsche Recht nicht kennt. Unterbleibt ein solcher Antrag, werden die vollständigen Unterlagen dem Betroffenen gem. § 87c Abs. 1 IRG zur Gewährung rechtlichen Gehörs zugestellt. Nach Ablauf einer Zwei-Wochen-Frist entscheidet das Bundesamt über die Bewilligung. Zahlt der Betroffene, ist das Verfahren beendet. Bei Ersuchen wegen der Vollstreckung einer Entscheidung, der aus deutscher Sicht eine im Inland konkret verfolgbare Tat zugrunde liegen könnte, wird das Bundesamt für Justiz nach Maßgabe von in den RiVASt zu treffenden Regelungen verpflichtet werden, sich vor der Entscheidung über die Bewilligung mit der für den möglichen Inlandstatort zuständigen Staatsanwaltschaft oder Verwaltungsbehörde ins Benehmen zu setzen.
3. Gerichtliches Verfahren
Gegen eine Bewilligung der Vollstreckung durch das Bundesamt kann der Betroffene nach §§ 87g ff. IRG auch form- und fristgebunden Einspruch einlegen und eine gerichtliche Überprüfung der Bewilligung durch das zuständige AG herbeiführen. Das AG entscheidet nach § 87h IRG durch Beschluss. Gegen diese gerichtliche Entscheidung ist nach § 87j IRG die Rechtsbeschwerde zum OLG statthaft. Die Rechtsbeschwerde bedarf der Zulassung (§ 87k IRG). Eine Entscheidung durch das AG ist auch auf Antrag des Bundesamtes gem. § 87i IRG möglich.
4. Vollstreckungsverfahren
Zahlt der Betroffene nach Bewilligung der Vollstreckung durch das Bundesamt nicht und setzt er si...