Dass es gut war, wie es war, das weiß man hinterher, dass es schlecht ist, wie es ist, das weiß man gleich
Die unvergessene Hildegard Knef brachte mit diesen Zeilen etwas zum Ausdruck, was unsere eigenen Erfahrungen vortrefflich bestätigt. In der Gegenwart finden wir Misstände besonders schmerzlich und verklären vergleichbare Situationen aus der Vergangenheit. "Früher war alles besser" oder "so was hätte es früher nicht gegeben" geben diese so oftmals trügerische Beurteilung nur mit anderen Worten wieder. Jedenfalls entspricht es guter Tradition, das Jahr mit einem Jahresrückblick zu beenden, der ausnahmsweise einmal nicht verklären, sondern möglichst objektiv das wiedergeben soll, was uns Anwälten im Gebührenrecht 2010 widerfahren ist.
Beginnen wir - mit was sonst? - mit der Rechtsprechung des BGH.
Auch hier ist es wie im wirklichen Leben, es gibt Schönes, weniger Schönes und auch Erstaunliches zu berichten. Eine ganze Reihe von gut begründeten Entscheidungen verschiedener Senate kam zu dem überzeugenden und einzig richtigen Ergebnis, dass der im Jahre 2009 in Kraft getretene § 15a RVG natürlich auch auf Altfälle Anwendung findet. Gekrönt wurde das Ganze kurz vor dem Jahresende durch den VIII. Senat, dessen Entscheidung vom 22.1.2008 so viel richterliche Schaffenskraft in die falsche Richtung gelenkt hatte. Wenn auch leicht murrend erkannte schließlich auch der VIII. Senat, dass eine Anrufung des Großen Senats für eine derartige Jahrhundertfrage wohl nicht angemessen sei (AGS 2010, 473). Ein ganz besonderes herzliches Dankeschön dorthin!
Weniger erfreulich war die Entscheidung des IX. Senats zu Nr. 4141 VV (AGS 2010, 1). Was den Senat dazu bewogen hat, sich der Auffassung der Rechtsschutzversicherungsbranche anzuschließen, der über viele Jahre hinweg einhellig und überzeugend eine Absage erteilt worden war, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben. Die vorzufindenden Entscheidungsgründe lassen jedenfalls jegliche Kompatibilität zum Gesetzestext vermissen, und als Gesetzgeber muss man langsam verzweifeln, wie häufig eindeutige gesetzliche Vorschriften immer noch missverstanden werden. Dass sich der IX. Senat möglicherweise mit seiner im wahrsten Sinne des Wortes einsamen Entscheidung auch nicht so ganz richtig plaziert fühlte, lässt der – nicht berechtigte - Schulterschluss mit der Kommentierung bei Hartmann erkennen. Es ist ein Irrtum, dass Hartmann für eine solche Mindermeinung herangezogen werden könnte. Er gibt in seinem Kommentar lediglich – unkommentiert und um Vollständigkeit bemüht – zwei falsche und ebenso "vereinsamte" amtsgerichtliche Entscheidungen wieder.
Wahrhaft überraschend und ebenso wenig überzeugend – wenn auch hier anwaltsfreundlich – war die Entscheidung desselben Senates zum Anfall einer Terminsgebühr beim Beklagtenvertreter, wenn außergerichtliche Besprechungen zur Vermeidung eines Rechtsstreites geführt werden (AGS 2010, 483). Der hier vom BGH beim Beklagtenvertreter unterstellte – und von der Vorinstanz noch zu Recht vermisste – Verfahrensauftrag lässt sich bei genauer Betrachtung der Entscheidungsgründe – naturgemäß – nirgends vorfinden.
Der ersichtlich in diesem Jahr besonders fleißige IX. Senat markierte außerdem den Jahresanfang und das Jahresende mit zwei weiteren wichtigen Entscheidungen zum Recht der Vergütungsvereinbarung. Am 4.2.2010 wurden Probleme der Vergütungsvereinbarung in selten gesehener Intensität in einer einzigen Entscheidung ausführlich abgehandelt (AGS 2010, 267). Und zum Ende des Jahres sah sich der Senat veranlasst, zum zweiten Mal innerhalb ein- und desselben Rechtsstreits die Entscheidung des bekanntermaßen anwaltskritischen 24. Senats des OLG Düsseldorf aufzuheben (Urt. v. 21.10.2010 - IX ZR 37/10 – zur Veröffentlichung vorgesehen in AGS 2011, Heft 1).
Immer noch findet man sich in Karlsruhe nicht bereit, dem Ansinnen der Düsseldorfer zu folgen, die 15-Minuten-Klausel für generell unwirksam anzusehen, und immer noch muss man diesem Senat ins Stammbuch schreiben, dass auch für Anwälte so etwas wie Vertragsfreiheit gilt. Der betroffene Rechtsanwalt bangt übrigens jetzt seit mehr als fünf Jahren um sein wohl verdientes Honorar, das ihm die erste Instanz – wie durchaus üblich – uneingeschränkt zugesprochen hatte.
Und damit schließen wir – in einem Jahresrückblick sicherlich ungewöhnlich – mit einer düsteren Prognose:
Wenn man denkt, es hätte noch schlimmer kommen können, dann kommt es auch noch schlimmer.
In Düsseldorf müssen Rechtsanwälte inzwischen wohl auch damit rechnen, von ihren liebenswerten ehemaligen Mandanten auf Rückzahlung von Honorar selbst dann erfolgreich in Anspruch genommen zu werden, wenn sie sich mit den gesetzlichen Gebühren beschieden und sich über deren Höhe mit dem Mandanten sogar noch verbindlich verglichen haben.
Wie solche Zauberkunststücke gelingen, wird die Redaktion in einem der nächsten Hefte durch Veröffentlichung einer so jedenfalls angekündigten Entscheidung verraten.
Zum Schluss und trotz allem: Ein frohes neues Jahr, und möge es uns 2011 ni...