RVG § 14 Abs. 1; RVG VV Nr. 2300

Leitsatz

Beim Steuerrecht handelt es sich häufig um eine schwierige Spezialmaterie, die einen überdurchschnittlichen Gebührensatz rechtfertig – hier bei Schwierigkeiten in sowohl tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht in Höhe von 2,0.

FG Köln, Beschl. v. 25.6.2009–10 Ko 610/09

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Höhe der zu erstattenden Geschäftsgebühr.

Die Erinnerungsführer hatten wegen Erlass der Einkommensteuer für die Jahre 1998 bis 2002 geklagt. Mit Urteil gab das FG der Klage betreffend das Jahr 1998 statt und verpflichtete den Erinnerungsgegner zum antragsgemäßen Erlass der Einkommensteuer; betreffend die Jahre 1999 bis 2002 wurde die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens wurden den Erinnerungsführern zu 3/4 und dem Erinnerungsgegner zu 1/4 auferlegt; die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wurde für erforderlich erklärt.

Der Bevollmächtigte, der sowohl als Rechtsanwalt als auch als Steuerberater niedergelassen ist, beantragte in seinem Kostenfestsetzungsantrag u.a. die Berücksichtigung einer 2,0-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV.

Der Kostenbeamte setzte die zu erstattenden Kosten fest und berücksichtigte dabei lediglich eine 1,3-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV.

Mit seiner Erinnerung verfolgt der Bevollmächtigte sein Begehren weiter, eine 2,0-Geschäftsgebühr zu berücksichtigen. Der Streitfall sei unstreitig von besonderer Schwierigkeit gewesen, was auch der zuständige Berichterstatter bestätigt habe. Eine Überschreitung des Regelsatzes von 1,3 sei bereits dann gerechtfertigt, wenn die Angelegenheit umfangreich oder schwierig sei. Außerdem sei das Steuerrecht als ein rechtliches Spezialgebiet bereits vom Ausgangspunkt her kostenrechtlich privilegiert.

In seiner dienstlichen Stellungnahme stufte der zuständige Berichterstatter die Angelegenheit sowohl im Vorverfahren als auch im Klageverfahren als „ohne Zweifel überdurchschnittlich schwierig und umfangreich“ ein, und zwar sowohl „in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht“.

Der Erinnerungsgegner hält dagegen, dass ein Bevollmächtigter, der sich auf das Steuerrecht spezialisiert habe, sich nicht mehr in anderen Rechtsgebieten fortbilden müsse. Außerdem werde ein Anwalt in unzulässiger Weise gegenüber einem Steuerberater privilegiert, wenn man für Anwälte das Steuerrecht als generell schwierig werten würde.

Die Erinnerung hatte insoweit Erfolg.

Aus den Gründen

1. Dem Bevollmächtigten der Erinnerungsführer steht für das Betreiben des Vorverfahrens eine 2,0-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV zu.

a) Die Vergütung für außergerichtliche Tätigkeiten richtet sich seit der Neuregelung des Kostenrechts zum 1.7.2004 durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (BGBl I 2004, 718, 788) nach Teil 2 VV. Die Gebühr für die Vertretung im Einspruchsverfahren zur Nachprüfung eines Verwaltungsakts ist in den Nrn. 2300 bzw. 2301 VV geregelt. Nach Nr. 2300 VV erhält der Anwalt für die Vertretung im Einspruchsverfahren für alle mit der außergerichtlichen Rechtsbesorgung in dieser Angelegenheit anfallenden Tätigkeiten (vgl. BT-Drucks 15/1971, 206) eine Geschäftsgebühr in Form einer Rahmengebühr von 0,5 bis 2,5.

b) Gem. § 14 Abs. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall grundsätzlich unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber sowie seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse, und auch des anwaltlichen Haftungsrisikos nach billigem Ermessen. Für die Bemessung der Geschäftsgebühr ist allerdings zusätzlich die Erläuterung zu Nr. 2300 VV zu berücksichtigen, in der zur konkreten Bemessung der Geschäftsgebühr ergänzend ausgeführt wird, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 nur verlangt werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.

c) Der insgesamt weite Rahmen der Gebühr sollte eine flexiblere Gestaltung ermöglichen, weil die seit Geltung der Neuregelung im Vorverfahren allein anfallende Geschäftsgebühr das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und der Teilnahme an Besprechungen sowie das sonstige Mitwirken abgelten sollte, im Gegensatz zur früheren Rechtslage also weder eine zusätzliche Besprechungsgebühr noch eine Beweisaufnahmegebühr vorgesehen ist. Diese Vereinheitlichung macht eine Einordnung der unterschiedlichen außergerichtlichen Vertretungsfälle in den zur Verfügung stehenden größeren Gebührenrahmen erforderlich und zwingt zwangsläufig auch zu einer Neubestimmung des „Normalfalls“ (vgl. BT-Drucks 15/1971, 206). Vor diesem Hintergrund heißt es in der Gesetzesbegründung weiter, dass die Bemessung der Gebühr mit 1,3 den Regelfall bilden sollte. Durch dieses Regel-Ausnahme-Prinzip sollte der unter Geltung der BRAGO verbreiteten Übung entgegengewirkt werden, bei den zu erstattenden Kosten regelmäßig die früher maximal mögliche 10/10-Gebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) auszuschöpfen. Wenn Umfang oder Schwierigkeit der Angelegenheit nicht über dem Durchschnitt liegen, wird die Sc...

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