RVG VV Nr. 5115

Leitsatz

  1. Wird nach Aussetzung der Hauptverhandlung der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurückgenommen, entsteht keine zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV.
  2. Die Kosten, die im Verfahren auf Erlass des Bußgeldbescheids entstehen, gehören nicht zu den versicherten Kosten.

AG München, Urt. v. 11.10.2010–275 C 22738/10

Sachverhalt

Gegen den Kläger war ein Bußgeldbescheid ergangen, gegen den sein Verteidiger Einspruch eingelegt hat. Im ersten Hauptverhandlungstermin wurde das Verfahren ausgesetzt. Bevor es zur Anberaumung einer neuen Hauptverhandlung kam, nahm der Verteidiger des Klägers für diesen den Einspruch zurück. Der Rechtsschutzversicherer des Klägers zahlte die entstandenen Kosten mit Ausnahme der Kosten, die im Verfahren auf Erlass des Bußgeldbescheides angefallen waren, sowie der vom Verteidiger geltend gemachten zusätzlichen Gebühr nach Nr. 5115 VV. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen

1. Der Klagepartei steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch gegen die Beklagte zu.

a) Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten aus dem Bußgeldverfahren besteht nicht. Die Versicherungsnehmerin und Mandantin des Klägers war aufgrund des Bußgeldbescheides verpflichtet, die Kosten des Bußgeldverfahrens zu tragen. Dabei handelt es sich nicht um einen Gegenstand, der von der Rechtsschutzversicherung umfasst ist. Die Rechtsschutzversicherung haftet für Kosten der Wahrnehmung rechtlicher Interessen nach Eintritt des Versicherungsfalls, d.h. für Maßnahmen der Rechtsdurchsetzung und Rechtsverteidigung nach Eintritt des Schadensereignisses, § 125  VVG. Die Kosten, die der Versicherungsnehmerin mit dem Bußgeldbescheid auferlegt wurden, sind nicht durch Rechtsverfolgung oder -verteidigung entstanden, sondern durch das Verhalten der Versicherungsnehmerin, das mit dem Ordnungswidrigkeitsverfahren verfolgt wurde. Dies ist kein von der Rechtsschutzversicherung erfasstes Risiko.

b) Soweit die Klagepartei Ansprüche auf Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren nach Nr. 5115 VV geltend macht, kann dahinstehen, ob die Klagepartei aktivlegitimiert ist. Denn schon nach dem unstreitigen Sachvortrag ist eine Gebühr gem. dieser Vorschrift auch im Verhältnis zwischen der Klagepartei und der Versicherungsnehmerin nicht angefallen. Nr. 5115 VV setzt voraus, dass durch die Mitwirkung des Rechtsanwalts die Hauptverhandlung entbehrlich wird. Dies ist nicht der Fall, wenn bereits ein Hauptverhandlungstermin stattgefunden hat und lediglich ein weiterer Hauptverhandlungstermin entbehrlich wird.

Schon dem Gesetzeswortlaut ist zu entnehmen, dass die Hauptverhandlung entbehrlich werden muss.

Auch aus dem systematischen Zusammenhang mit Anm. Abs. 3 zu Nr. 5115 VV ergibt sich, dass in einem Rechtszug die Hauptverhandlung vermieden worden sein muss.

Schließlich führt auch eine teleologische Auslegung zu keiner anderen Bewertung. Normzweck dieser Vorschrift ist, dass die Mithilfe des Rechtsanwalts bei der Vereinfachung, Verkürzung und Erledigung des Strafverfahrens belohnt wird (Hartmann, KostG, vor Nr. 5115 VV Rn 2). Dieser Zweck wird erreicht, wenn die Hauptverhandlung in dem Zeitfenster entbehrlich wird, das die Anm. zu Nr. 5115 VV vorsieht; also bevor ein Hauptverhandlungstermin stattgefunden hat bzw. die Zeitgrenze nach Anm. Abs. 1 Nr. 4 zu Nr. 5115 VV erreicht ist. Nicht erreicht wird dieser Zweck, wenn lediglich ein Termin entbehrlich wird.

Eine andere Auslegung ist auch nicht der Kommentierung bei Mayer/Kroiß, Nr. 5115 VV, Rn 17 und der Entscheidung des OLG Bamberg NStZ-RR 2007, 159 [= AGS 2007, 138] zu entnehmen. Denn dort werden Fälle behandelt, in denen nach Aussetzen einer Hauptverhandlung an einer endgültigen Einstellung mitgewirkt und so eine erneute Hauptverhandlung vermieden wurde. Diese Situation ist nicht damit vergleichbar, dass lediglich ein weiterer Hauptverhandlungstermin entbehrlich wird.

entnommen von www.burhoff.de

Anmerkung

Zu Leitsatz 1:

Die Entscheidung ist unzutreffend. Ausweislich der Gründe hat das AG München die prozessuale Lage im zugrundeliegenden Bußgeldverfahren offenbar missverstanden. Die Entscheidungsgründe sind insoweit nämlich widersprüchlich.

Aus dem letzten Satz ergibt sich, dass das AG München offenbar davon ausgeht, dass lediglich ein weiterer Hauptverhandlungstermin – also ein Fortsetzungstermin – entbehrlich geworden sei. Tatsächlich hätte hier aber, da das Verfahren ausgesetzt – nicht unterbrochen – war, mit der Hauptverhandlung erneut begonnen werden müssen.

Wird lediglich ein Fortsetzungstermin vermieden, ist Nr. 5115 VV nicht anwendbar. Dies ist unumstritten.[1]

Wird allerdings die Hauptverhandlung ausgesetzt, dann muss mit ihr erneut begonnen werden.

Ein Anwalt, der nach Aussetzung einer Hauptverhandlung vermeidet, dass ein erneuter Hauptverhandlungstermin durchgeführt werden muss, erspart dem Gericht ebenso viel Arbeit und Mühe, wie ein Verteidiger, der bereits den ersten Hauptverhandlungstermin entbehrlich macht.

Daher ist in der Rspr. auch einhellig anerkannt, dass die zusätzliche Gebühr gem. Nr. 5115 VV nach Aussetzung eines Verf...

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