RVG VV Vorbem. 3 Abs. 5 ZPO §§ 91, 104, 485 ff.
Leitsatz
Verfahrensgebühren mehrerer selbstständiger Beweisverfahren sind insgesamt auf die Verfahrensgebühr der Hauptsache anzurechnen, jedoch nur bis zur Höhe dieser Gebühr.
OLG Koblenz, Beschl. v. 23.9.2010 – 14 W 536/10
1 Sachverhalt
Der Kläger begehrte von den Beklagten Schadensersatz wegen des arglistigen Verschweigens von Mängeln beim Abschluss eines notariellen Kaufvertrages über das vormalige Anwesen der Beklagten. Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen, die dagegen gerichtete Berufung nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückgewiesen.
Vor der Erhebung der Klage hatte der Kläger gegen die Beklagten unter den Aktenzeichen 15 OH 7/06 und – weil das Gericht eine Fortsetzung dieses Verfahrens abgelehnt hatte – 15 OH 5/07 zwei Beweisverfahren eingeleitet. Der Streitgegenstand der beiden selbstständigen Beweisverfahren deckt sich in der Summe mit dem Streitgegenstand des vorliegenden Klageverfahrens.
Die Beklagten haben in der Kostenfestsetzung die in den beiden selbstständigen Beweisverfahren angefallenen 1,3-Verfahrensgebühren nebst der jeweils angefallenen 0,3-Erhöhungsgebühr – im Verfahren 15 OH 7/06 aus einem Streitwert von 50.000,00 EUR in Höhe von 1.673,60 EUR sowie im Verfahren 15 OH 5/07 aus einem Streitwert in Höhe von 82.030,65 EUR in Höhe von 2.043,20 EUR – geltend gemacht. Für das Erkenntnisverfahren haben sie ebenfalls eine 1,3-Verfahrensgebühr nebst einer 0,3-Erhöhungsgebühr aus 82.030,65 EUR in Höhe von 2.043,20 EUR geltend gemacht und hierauf einmal eine 1,3-Verfahrensgebühr in Höhe von 1.660,10 EUR aus einem Streitwert 82.030,65 EUR angerechnet. Sie gelangen so zu einer Forderung von brutto 10.091,08 EUR.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Rechtspfleger dagegen die drei Verfahrensgebühren zusammengerechnet und auf die Summe die beiden Verfahrensgebühren der selbstständigen Beweisverfahren angerechnet, so dass sich im Ergebnis nicht nur keine Berücksichtigung der erhöhten Verfahrensgebühr im Hauptsacheverfahren, sondern eine darüber hinausgehende Kürzung der Gebühren aus dem Hauptsacheverfahren ergab. Insgesamt wurden die zu erstattenden Kosten auf 7.643,61 EUR festgesetzt.
Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer sofortigen Beschwerde, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Beschwerde ist weitgehend begründet.
Die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens gehören zu den notwendigen Kosten des Hauptsacheverfahrens und sind grundsätzlich dort zu berücksichtigen (Zöller-Herget, ZPO, 28. Aufl., § 490 Rn 7 sowie § 91 Rn 13 – selbstständiges Beweisverfahren m. w. Nachw.). Die außergerichtlichen Auslagen der Beklagten in den beiden selbstständigen Beweisverfahren sind deshalb im vorliegenden Hauptsacheverfahren und der hierauf bezogenen Kostenfestsetzung zu berücksichtigen. Dies ziehen die Parteien auch nicht in Zweifel.
Soweit der Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens auch Gegenstand des Rechtsstreites ist oder wird, wird die Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens nach Vorbem. 3 Abs. 5 VV auf die Verfahrensgebühr des Rechtszuges angerechnet. Aus der Formulierung des Gesetzes ergibt sich, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass es grundsätzlich nur eine Verfahrensgebühr aus einem selbstständigen Beweisverfahren gibt. Insoweit liegt hier ein atypischer Fall vor.
Die ratio der Norm liegt darin begründet, dass der Rechtsanwalt über die Vertretung der Partei im selbstständigen Beweisverfahren derart eingearbeitet ist, dass die mit der Verfahrensgebühr im Hauptprozess abzugeltenden Tätigkeiten bereits abgegolten sind. Dann ist es aber unerheblich, ob sich der anrechenbare Betrag aus der Verfahrensgebühr eines selbstständigen Beweisverfahrens oder aus der Summe der Verfahrensgebühren mehrerer selbstständiger Beweisverfahren zusammensetzt. Der Anrechnungsbetrag als solches ist also, wovon der Rechtspfleger zutreffend ausgeht, durch die Addition der Verfahrensgebühren in den verschiedenen selbstständigen Beweisverfahren zu ermitteln. Es findet damit auch keine Anrechnung der Verfahrensgebühren in den selbstständigen Beweisverfahren untereinander statt, wie die Beschwerde meint, sondern eine Anrechnung der Summe aller Verfahrensgebühren im selbstständigen Beweisverfahren auf die Verfahrensgebühr im Hauptsacheverfahren.
Der Rechtspfleger hat aber übersehen, dass sich aus dem Umstand, dass die Verfahrensgebühr(en) aus dem selbstständigen Beweisverfahren auf die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens anzurechnen sind, ergibt, dass die Anrechnung den Betrag der Verfahrensgebühr im Hauptsacheverfahren nicht übersteigen kann. Im wirtschaftlichen Ergebnis darf die Partei durch die Anrechnung also nicht mehr als die im Hauptsachverfahren angefallene Verfahrensgebühr verlieren. Alles andere käme einer weitergehenden Anrechnung auch auf die Terminsgebühr und die Auslagen gleich. Es ist mithin abzurechnen wie folgt:
Für das Verfahren 15 OH 7/06
Gegenstandswert 50.000,00 EUR |
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1,3-Verfahrensgebühr nebst 0,3-Erhöhungsgebüh... |