ZPO § 91 Abs. 1 S. 2
Leitsatz
Reisekosten eines Rechtsanwalts, der außerhalb des Gerichtsorts, aber innehalb des Gerichtsbezirks niedergelassen ist, sind ohne Notwendigkeitsprüfung zu erstatten.
LG Krefeld, Beschl. v. 30.11.2010 – 5 O 384/09
1 Aus den Gründen
Dem Kläger steht ein Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich der Reisekosten seines Prozessbevollmächtigten zu. Gem. § 91 Abs. 2 ZPO sind Reisekosten eines Rechtsanwaltes, der im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist, zu erstatten und zwar ohne dass eine Notwendigkeitsprüfung gem. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO stattzufinden hat. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers ist in Kempen ansässig und damit im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen.
Gem. Vorbem. 7 Abs. 2 VV sind diese Reisekosten auch erstattungsfähig, weil das Prozessgericht außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers befindet.
2 Anmerkung
Nach Vorbem. 7 Abs. 2 VV liegt eine Geschäftsreise vor, wenn der Anwalt zur Ausübung seines Geschäfts die Grenze der politischen Gemeinde verlassen muss. Unerheblich ist dabei, ob er sich im selben Gerichtsbezirk bewegt oder ob er den Gerichtsbezirk verlässt. Abgestellt wird ausschließlich auf die Grenze der politischen Gemeinde. Auch die Entfernung ist unerheblich.
Liegt danach eine Geschäftsreise vor, erhält der Anwalt an Reisekosten 0,30 EUR je gefahrenen Kilometer (Nr. 7003 VV) sowie ein Tage- und Abwesenheitsentgelt (Nr. 7005 VV) zuzüglich sonstiger Auslagen, insbesondere Parkgebühren (Nr. 7006 VV).
Nach § 91 Abs. 1 ZPO hat eine unterlegene Partei die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Ausgehend hiervon wäre also an sich zu prüfen, ob die Reisekosten des Anwalts notwendig waren.
Dabei wird jedoch übersehen, dass § 91 Abs. 2 ZPO gesonderte Regelungen für die Anwaltsvergütung enthält. Nach § 91 Abs. 2 S. 1, 1. Hs. ZPO sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten. Nach diesem ersten Halbsatz sind Reisekosten also immer zu erstatten, da es sich um Auslagen des Prozessbevollmächtigten handelt. Eine Notwendigkeitsprüfung findet hier nicht statt.
Lediglich § 91 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. ZPO enthält eine Einschränkung, die für die Reisekosten eine Notwendigkeitsprüfung erfordert. Dieser zweite Halbsatz betrifft aber ausschließlich diejenigen Anwälte, die weder im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen sind noch dort wohnen. Nur in diesen Fällen ist eine Notwendigkeitsprüfung vorzunehmen. Die Kosten eines weder im Gerichtsbezirk niedergelassenen noch dort wohnhaften Anwalts sind nur zu erstatten, soweit sie notwendig waren. Dies wiederum wird insbesondere dann bejaht, wenn die Partei außerhalb des Gerichtsbezirks wohnt oder wenn die Hinzuziehung eines Spezialanwaltes ausnahmsweise erforderlich war.
Schon tatbestandlich gilt die Einschränkung nach § 91 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. ZPO aber nicht für den Anwalt, der im Gerichtsbezirk niedergelassenen oder wohnhaft ist. Aus dem § 91 Abs. 1 S. 1, 2. Hs. ZPO zu entnehmenden Umkehrschluss folgt vielmehr, dass für diesen keine Notwendigkeitsprüfung anzustellen ist und es bei dem Grundsatz des § 91 Abs. 2 S. 1, 1. Hs. ZPO verbleibt. Daraus wiederum folgt, dass bei Beauftragung eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen oder wohnhaften Anwalts, der ja dann auch nur die Reisekosten innerhalb des Gerichtsbezirks geltend machen kann, die Reisekosten immer zu erstatten sind. Eine Notwendigkeitsprüfung verbietet sich hier.
Norbert Schneider
3 Hinweis der Schriftleitung
Siehe dazu auch die Entscheidung des VG Aachen zur Erstattung der Reisekosten in verwaltungsgerichtlichen Verfahren.