EGGVG § 30a
Leitsatz
Die Wirksamkeit einer Aufrechnung von Verteidigergebühren mit einem abgetretenen Erstattungsanspruch des Freigesprochenen kann nicht mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 30a EGGVG überprüft werden.
AG Hamm, Beschl. v. 7.4.2011 – 18 AR 18/11
1 Sachverhalt
Der frühere Angeklagte hat aus dem vorbezeichneten Strafverfahren gegen die Staatskasse einen Erstattungsanspruch von 1.222,13 EUR. Hiervon wurde ein Teilbetrag von 502,63 EUR an den Verteidiger des Freigesprochenen ausgezahlt. Mit Schreiben vom 26.1.2011 hat die Beteiligte zu 2) die Aufrechnung mit einem Anspruch gegen den Freigesprochenen über 719,50 EUR erklärt. Der Beteiligte zu 1) hat mit einem am 27.1.2011 eingegangenen Schriftsatz eine Abtretung des Freigesprochenen hinsichtlich seiner Kostenerstattungsansprüche eingereicht. Mit einem Schreiben v. 25.1.2011 beantragt der Beteiligte zu 1) auch die Auszahlung von 719,50 EUR.
Das AG Minden hat die Akte dem AG Hamm zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Der Beteiligte zu 1) hat einen Antrag gem. § 30a EGGVG ausdrücklich nicht gestellt. Soweit der Rechtspfleger des AG Minden meint, es handele sich um einen Antrag, der nach Art. XI § 1 des KostenändG 1957 zu entscheiden sei, ist dieses Gesetz durch Art. 115 des ersten Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz vom 19.4.2006 aufgehoben worden. In Betracht käme nur ein Antrag gem. § 30a EGGVG. Wenn der Antrag des Beteiligten zu 1) als ein solcher Antrag ausgelegt wird, ist dieser Antrag unzulässig.
Verwaltungsakte im Bereich der KostG können mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 30a EGGVG nur angefochten werden, wenn eine Anfechtung nach sonstigen Vorschriften nicht möglich ist (§ 30a Abs. 1 S. 1 a.E.). § 30a EGGVG ist eine Auffang-Generalklausel, wenn eine Anfechtung nach vorrangigen Spezialvorschriften nicht möglich ist (vgl. Zöller-Lückemann, ZPO, 28. Aufl, § 30a EGGVG, Rn 1). Die Rechtsmittel nach §§ 66 GKG, 56 RVG, 14 KostO, 4 JVEG oder 8 JBeitrO gehen vor.
Gem. § 8 JBeitrO sind nicht nur Einwendungen gegen den beizutreibenden Anspruch, sondern auch solche gegen die Haftung für den Anspruch oder die Verpflichtung zur Duldung der Vollstreckung im Wege der Erinnerung gegen den Kostenansatz geltend zu machen (vgl. Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, 2. Aufl., § 8 JBeitrO, Rn 1). Auch ohne diese besondere Zuweisung ist allgemein die Frage der Zahlungspflicht für eine Gerichtskostenrechnung (Erfüllung, Aufrechnung, Erlass, Stundung, Ratenzahlung) im Wege der Erinnerung gegen den Kostenansatz geltend zu machen (vgl. Hartmann, KostG, 40. Aufl., 2010, § 66 GKG, Rn 22).
Für die Aufrechnung speziell gilt Folgendes:
§ 30a EGGVG erfordert einen Verwaltungsakt im Bereich der KostG. Die Aufrechnungserklärung ist die Ausübung eines schuldrechtlichen Gestaltungsrechts und stellt keinen Verwaltungsakt dar (vgl. BVerwG NJW 1983, 776). Die Erklärung der Aufrechnung kann sowohl vom Bürger als auch von der Behörde erklärt werden und erfolgt damit nicht aus einer hoheitlichen Position. § 30a EGGVG ist daher unanwendbar (Hartmann, KostG, a.a.O., § 30a EGGVG, Rn 4, Stichwort: Aufrechnung; Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, 18. Aufl., 2010, KostO, § 30a EGGVG, Rn 9).
Es kommt daher nicht darauf an, dass eine Aufrechnung gem. § 43 S. 2 RVG auch bei vorheriger Abtretung nur dann unwirksam ist, wenn sich im Zeitpunkt der Erklärung der Aufrechnung (26.1.2011) bereits eine Urkunde über die Abtretung in den Akten befunden hat. Eine solche Urkunde ist erst am 27.1.2011 eingegangen.
3 Anmerkung
Eine gerichtliche Entscheidung über die Aufrechnung der Staatskasse gegen den an den Verteidiger abgetretenen Anspruch auf Erstattung notwendiger Auslagen wird häufig dann erforderlich, wenn zwischen Staatskasse und Verteidiger Streit darüber besteht, ob zum Zeitpunkt der Aufrechnung der Staatskasse bereits eine Urkunde über die Abtretung oder eine Anzeige des Beschuldigten oder des Betroffenen über die Abtretung in den Akten vorlag, § 43 S. 2 RVG.
Rechnet die Staatskasse mit einer Geldstrafe gegen den an den Verteidiger abgetretenen Anspruch auf Erstattung notwendiger Auslagen auf, ist höchstrichterlich geklärt, welches Gericht für die Entscheidung über Einwendungen gegen die Aufrechnung der Staatskasse zuständig ist. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Aufrechnung richtet sich hier nach § 462a Abs. 2 S. 1 StPO. Zuständig ist somit das Gericht des ersten Rechtszuges. Entscheidend für die Zuständigkeit dieses Gerichts ist, dass mit der Aufrechnung hinsichtlich der Geldstrafe Strafe vollstreckt wird (BGH, a.a.O.). Die Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts gilt auch dann noch, wenn zusammen mit der Geldstrafe Verfahrenskosten vollstreckt werden. Das erstinstanzliche Gericht ist aber dann nicht mehr zuständig, wenn die Geldstrafe gezahlt ist und die Aufrechnung von der Staatskasse nur wegen der Verfahrenskosten erklärt wird (vgl. § 15 Einforderungs- und Beitreibungsanordnung – EB...