Normenkette fehlt § x
Leitsatz
Zahlt der Rechtsschutzversicherer eine Gebühr, über deren Voraussetzungen im konkreten Fall in Rechtsprechung und Literatur Streit besteht ohne Vorbehalt, dann kann er sich nach Ergehen einer höchstrichterlichen Entscheidung nicht darauf berufen, er habe zu Unrecht gezahlt und die Gebühr zurückverlangen.
LG Wuppertal, Urt. v. 26.7.2011 – 16 S 10/11
1 Sachverhalt
Der beklagte Rechtsanwalt hatte seinen bei der Beklagten rechtsschutzversicherten Mandanten in einem Strafverfahren wegen des Verdachts der Unfallflucht anwaltlich vertreten. Die Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren schließlich nach § 153 StPO eingestellt und die Sache zur eventuellen Verfolgung als Ordnungswidrigkeit an die Bußgeldstelle abgegeben, die dann auch ein Ordnungswidrigkeitenverfahren betrieb, dieses jedoch später einstellte.
Nach der Einstellung des Strafverfahrens hatte der Anwalt seine Vergütung gegenüber dem Rechtsschutzversicherer abgerechnet, darunter auch eine zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV. Nach Einstellung des späteren Bußgeldverfahrens rechnete er die dortigen Gebühren ab, darunter auch eine zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV.
Beide Rechnungen beglich die Klägerin ohne Vorbehalt.
Nachdem der BGH dann am 5.11.2009 entschieden hatte, dass bei einer Einstellung des Strafverfahrens unter gleichzeitiger Abgabe der Sache an die Verwaltungsbehörde eine zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV nicht anfalle, forderte der Rechtsschutzversicherer die von ihm an den Anwalt gezahlte Gebühr nach Nr. 4141 VV nebst Umsatzsteuer zurück.
Das AG hatte der Klage stattgegeben, die Berufung hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das AG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Erstattung des bereits bezahlten Anwaltshonorars zu.
Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin berechtigt wäre, unberechtigte Zahlungen an einen von ihrer Versicherungsnehmerin beauftragten Anwalt aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung unmittelbar zurück zu verlangen.
Zwar besteht hier zwischen der Klägerin (Versicherung) und dem Mandanten (Versicherungsnehmer und Anweisender) das sog. Deckungsverhältnis, in dem durch die Begleichung der Anwaltsforderung eine Leistung (der Klägerin) erbracht wird. Im vorliegenden Fall war – nach Ansicht der Klägerin – auch gerade dieses Deckungsverhältnis gestört, da der Anspruch des Mandanten geringer war als die Leistung der Klägerin. Zwischen der Klägerin und dem Beklagten (Anweisungsempfänger) besteht hingegen lediglich das Vollzugsverhältnis, in dem grundsätzlich kein Bereicherungsausgleich stattfindet ("Abwicklung über´s Eck", vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2009, 205). Vorliegend ist eine direkte Kondiktion im Vollzugsverhältnis jedoch ausnahmsweise möglich, da aufgrund der Regelung in § 17 Abs. 8 ARB 2002 die Erstattungsansprüche des Mandanten gegen den Anwalt bereits mit ihrer Entstehung auf die Rechtsschutzversicherer übergehen.
Es ist der Klägerin jedoch verwehrt, einen solchen (übergegangen) Erstattungsanspruch geltend zu machen. Zwar dürfte die Leistung der Klägerin betreffend die Verfahrensgebühr für die Einstellung des Verfahrens nach Nr. 4141 VV ohne rechtlichen Grund erfolgt sein, woraus grundsätzlich ein Erstattungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1., 1. Alt BGB (sog. "condictio indebiti") folgt. Denn nach der- insoweit nicht in Zweifel zu ziehenden- höchstrichterlichen Rspr. bestand zum Zeitpunkt der Zahlung kein Anspruch auf Erstattung der Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 VV, da diese Gebühr aufgrund der Weiterführung des Verfahrens als Bußgeldverfahren nicht verdient war (Urt. v. 5.11.2009 – IX ZR 237/08, NJW 2010, 1209). Diese Rechtslage bestand auch bereits zum Zeitpunkt der Leistung, da nicht das RVG geändert, sondern lediglich dessen Auslegung durch den BGH konkretisiert wurde.
So kann auch in den – hinsichtlich der Auswirkungen der höchstrichterlichen Rspr. vergleichbaren – Fällen, in denen ein Mieter Renovierungsarbeiten durchgeführt hatte, die nach der neuen Rspr. des BGH zur Fristenregelung nicht hätten erfolgen müssen, ein Bereicherungsanspruch des Mieters aus § 812 BGB geltend gemacht werden (BGH NJW 2009, 2590; Börstinghaus, WuM 2005, 675). Insoweit wird lediglich vereinzelt die Problematik der Rückwirkung der höchstrichterlichen Rspr. gesehen (vgl. Artz, NZM 2007, 265), was nach der zitierten Rspr. und der herrschenden Meinung in der Lehre dem Bereicherungsanspruch jedoch nicht entgegensteht.
Vorliegend steht dem (übergegangenen) Bereicherungsanspruch der Klägerin jedoch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen (Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB). Dieser ist darin begründet, dass sich die Klägerin dem Beklagten gegenüber widersprüchlich verhalten hat und sich mit ihrem Rückforderungsbegehren in Widerspruch zu ihrem bisherigen Verhalten setzt ("venire contra factum proprium"). Missbräuchlich ist ein widersprüchliches Verhalten jedenfalls dann, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand entstanden ist. Dies...