BGB §§ 1313, 1564 ZPO §§ 114 S. 1, 115, 118 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
- Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Aufhebung der mit einem Ausländer zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels eingegangenen Scheinehe ist nicht rechtsmissbräuchlich.
- Eine Partei, die rechtsmissbräuchlich die Ehe geschlossen und hierfür ein Entgelt erhalten hat, trifft grundsätzlich die Pflicht, hiervon Rücklagen zu bilden, um die Kosten eines Eheaufhebungsverfahrens finanzieren zu können (im Anschluss an den Senatsbeschl. v. 22.6.2005 – XII ZB 247/03, FamRZ 2005, 1477).
- Die Behauptung der Partei, das für die Eingehung der Scheinehe versprochene Entgelt nicht erhalten zu haben, ist dem Gericht auf Verlangen glaubhaft zu machen.
BGH, Beschl. v. 30.3.2011 – XII ZB 212/09
1 Sachverhalt
Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für ein Verfahren auf Aufhebung der mit dem Antragsgegner geschlossenen Ehe.
Die 1968 geborene Antragstellerin schloss am 7.8.2008 vor dem Standesamt in der Türkei eine Scheinehe mit dem Antragsgegner, einem türkischen Staatsangehörigen. Hierfür versprach ihr der Antragsgegner einen Betrag von 10.000,00 EUR, den die Antragstellerin nach ihrer Darstellung jedoch nicht erhalten hat. Eine eheliche Lebensgemeinschaft wurde nicht begründet.
Das FamG hat der Antragstellerin die nachgesuchte Prozesskostenhilfe versagt. Ihre sofortige Beschwerde blieb erfolglos. Mit der vom OLG zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihr Begehren weiter.
2 Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.
Für das Verfahren ist gem. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Verfahrensrecht anwendbar, weil das Verfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurt. v. 16.12.2009 – XII ZR 50/08, FamRZ 2010, 357 m. w. Nachw.).
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil das Beschwerdegericht sie gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen hat. Daran ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 S. 2 ZPO).
Zwar kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) oder der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rspr. (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens der Prozesskostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht (Senatsbeschl. v. 22.6.2005 – XII ZB 247/03, FamRZ 2005, 1477 m. w. Nachw.). Das ist hier indessen der Fall, da die Antragstellerin geltend macht, die personenbezogene Beurteilung ihrer Rechtsverfolgung als rechtsmissbräuchlich sei nicht gerechtfertigt.
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Zurückverweisung an das Beschwerdegericht.
a) Das Beschwerdegericht (OLG Koblenz NJW-RR 2009, 1308) hat die Auffassung vertreten, die nachgesuchte Prozesskostenhilfe sei wegen Rechtsmissbrauchs zu versagen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Rechtsverfolgung sei mutwillig, wenn die Ehe nur zu dem Zweck geschlossen wurde, einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zu verschaffen. In diesem Fall könnten die Erschleichung der Aufenthaltserlaubnis, die Heirat und das Scheidungsbegehren nicht voneinander isoliert betrachtet, sondern müssten als Gesamtplan gewürdigt werden. Die Antragstellerin habe eine Ehe geschlossen, die nach den Vorstellungen beider Parteien nie vollzogen werden sollte. Sie habe daher das Rechtsinstitut der Ehe in Erwartung eines finanziellen Vorteils missbraucht. Dass dieser Vorteil nicht eingetreten sei, weil das versprochene Entgelt nach ihrer Darstellung nicht bezahlt wurde, ändere hieran nichts. Auch einer Partei, die nur aus Gefälligkeit eine Ehe mit einem Ausländer schließe, um diesem zu einer Aufenthaltserlaubnis zu verhelfen, könne Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden.
b) Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg.
Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 S. 1 ZPO). Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen nach dieser Bestimmung Prozesskostenhilfe für ein auf Aufhebung einer Scheinehe gerichtetes Verfahren zu gewähren ist, wird in Rspr. und Schrifttum nicht einheitlich beantwortet (vgl. die Darstellung im Senatsbeschl. v. 22.6.2005 – XII ZB 247/03, FamRZ 2005, 1477).
Das BVerfG hat die Frage, welche Auswirkungen die Rechtsmissbräuchlichkeit des Eingehens einer Scheinehe auf das Prozesskostenhilfebegehren für die anschließende Scheidung der Ehe hat, offen gelassen (BVerfG FamRZ 1984, 1206, 1207). Nach Ansicht der Richter, deren Auffassung die vorgenannte Entscheidung nicht getragen hat, ist Prozesskostenhilfe zu be...