ZPO §§ 2, 3, 511 Abs. 2 Nr. 1, 522 Abs. 1
Leitsatz
- Die Beschwer einer zur Unterlassung verurteilten Partei richtet sich danach, in welcher Weise sich das ausgesprochene Verbot zu ihrem Nachteil auswirkt. Maßgebend sind die Nachteile, die ihr aus der Erfüllung des Unterlassungsanspruchs entstehen.
- Bei der Bestimmung der Beschwer des Unterlassungsschuldners ist nicht danach zu unterscheiden, ob die Parteien auch über das Bestehen einer Unterlassungspflicht streiten oder aber lediglich über eine bereits erfolgte Verletzung einer unstreitig bestehenden Unterlassungspflicht (Bestätigung von BGH, Urt. v. 24.1.2013 – I ZR 174/11, WRP 2013, 1364 – Beschwer des Unterlassungsschuldners).
BGH, Beschl. v. 25.9.2013 – VII ZB 26/11
1 Sachverhalt
Die Beklagte war in der Zeit vom 1.4.1999 bis 30.9.2007 als hauptberufliche Handelsvertreterin für die Klägerin, eine bundesweit agierende Bausparkasse, tätig. Die Klägerin wirft der Beklagten vor, Kundendaten, die dieser im Rahmen der Tätigkeit für die Klägerin bekannt geworden sind, unerlaubt für eigene geschäftliche Zwecke verwendet zu haben. Sie hat die Beklagte deswegen auf Unterlassung und auf Erstattung vorprozessual entstandener Abmahnkosten in Anspruch genommen.
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß unter Androhung von Ordnungsmitteln zur Unterlassung wie folgt verurteilt: Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Aufzeichnungen von Kundendaten, beispielsweise Kopien, Abschriften, Dateien oder sonstige Verzeichnisse, welche ihr im Rahmen ihrer Tätigkeit als Handelsvertreterin der Klägerin bekannt geworden sind, zu geschäftlichen Zwecken zu verwenden.
Das LG hat die Beklagte darüber hinaus zur Erstattung vorprozessual entstandener Abmahnkosten in Höhe von 1.691,96 EUR zuzüglich Zinsen verurteilt; den Gegenstandswert hat es auf 50.000,00 EUR festgesetzt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses des Berufungsgerichts sowie die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht erstrebt. Die Klägerin beantragt, die Rechtsbeschwerde der Beklagten zurückzuweisen.
2 Aus den Gründen
1. Die gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 S. 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist die Zulässigkeitsvoraussetzung der Sicherung der Einheitlichkeit der Rspr. (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erfüllt. Der angefochtene Beschluss beschränkt das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Verfahrensgrundrecht der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes bezüglich des Zugangs zur Berufungsinstanz in einer nicht zu rechtfertigenden Weise (vgl. BGH, Beschl. v. 12.7.2007 – V ZB 36/07, NJW-RR 2007, 1384; Beschl. v. 4.4.2012 – IV ZB 19/11, VersR 2012, 881 [= AGS 2012, 297]).
2. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
a) Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten gem. § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 EUR nicht übersteige. Unabhängig vom Streitwert der Hauptsache richte sich der Wert der Beschwer nach der tatsächlichen Beeinträchtigung, die die Beklagte als Berufungsklägerin durch die Verurteilung zur Unterlassung erleide. Da die Parteien sich darüber einig seien, dass die ausgeurteilte Unterlassungspflicht als solche bestehe und sich der Streit lediglich um die Frage einer in der Vergangenheit begangenen Pflichtverletzung drehe, sei die Beklagte durch die Verurteilung zur Unterlassung selbst nicht beeinträchtigt. Eine zusätzliche Beschwer ergebe sich auch weder aus einer weitergehenden Rechtskraftwirkung des angefochtenen Urteils noch aus der Verurteilung zur Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Daher könne der Wert der Beschwer insgesamt nur auf den Mindestwert von bis zu 300,00 EUR festgesetzt werden.
b) Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
aa) Gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist die Berufung gegen ein Urteil, in dem das Gericht erster Instanz – wie im Streitfall – die Berufung nicht zugelassen hat, nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 EUR übersteigt. Nach § 2 ZPO i.V.m. § 3 ZPO wird der Wert des Beschwerdegegenstands vom Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt.
Bei der Bestimmung des Beschwerdegegenstands gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist auf das Interesse des Rechtsmittelklägers abzustellen, seine erstinstanzliche Verurteilung zu beseitigen. Die Beschwer einer zur Unterlassung verurteilten Partei richtet sich danach, in welcher Weise sich das ausgesprochene Verbot zu ihrem Nachteil auswirkt (vgl. BGH, Urt. v. 24.1.2013 – I ZR 174/11, WRP 2013, 1364 m.w.Nachw. – Beschwer des Unterlassungsschuldners).
bb) Mit diesen Grundsätzen steht die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht nicht in Einklang. Die Erwägung des Berufungsgerichts, es sei danach zu unterscheiden, ob die Parteien auch über das Bestehen einer Unterlassungspflicht oder aber nur über ...