RVG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Leitsatz
- Nimmt der Vollstreckungsgläubiger einen Zwangsvollstreckungsauftrag zurück und erhält er später den erneuten Auftrag zur Zwangsvollstreckung, liegt eine neue Angelegenheit vor, in der die Vergütung des Anwalts erneut ausgelöst wird.
- Die Kosten des weiteren Vollstreckungsauftrags sind auch grundsätzlich erstattungsfähig.
AG Wuppertal, Beschl. v. 1.6.2012 – 44 M 3262/12
1 Aus den Gründen
Die gem. § 766 Abs. 2 ZPO zulässige Erinnerung hat auch in der Sache Erfolg. Zu Recht wendet sich die Gläubigerin mit der Erinnerung dagegen, dass der Gerichtsvollzieher bei der Durchführung des Zwangsvollstreckungsauftrages v. 24.11.2011 die Anwaltskosten für diesen Auftrag in Höhe von 12,00 EUR in Abzug bringt. Entgegen der Auffassung des Gerichtsvollziehers stellen der streitgegenständliche Zwangsvollstreckungsauftrag v. 24.11.2011 und der erste Zwangsvollstreckungsauftrag vom 1.3.2011 verschiedene Angelegenheiten i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG dar. Denn der Zwangsvollstreckungsauftrag vom 1.3.2011 ist von der Gläubigerin mit Schriftsatz vom 28.3.2011 zurückgenommen worden. Der zweite Zwangsvollstreckungsauftrag vom 24.11.2011 stellt deshalb eine neue Angelegenheit dar, für den auch Anwaltskosten in Ansatz zu bringen und zu vollstrecken sind.
2 Anmerkung
Die Entscheidung ist zutreffend.
Die Rücknahme eines Vollstreckungsauftrags steht der Erstattungsfähigkeit der damit verbundenen Kosten nicht entgegen. Die Vorschrift des § 269 ZPO gilt nicht im Rahmen der Zwangsvollstreckung. Hier gilt vielmehr § 788 ZPO. Auch ein später zurückgenommener Vollstreckungsauftrag kann notwendig gewesen sein. Ein solcher Fall ist z.B. dann gegeben, wenn sich erst im Verlauf der Vollstreckungsmaßnahme herausstellt, dass diese Maßnahme keine Aussicht auf Erfolg haben wird.
Bezogen auf den Zeitpunkt der Einleitung der Zwangsvollstreckung war der Auftrag aus damaliger Sicht notwendig, sodass die damit verbundenen Kosten erstattungsfähig sind.
Wird nach Erledigung – bzw. Rücknahme – eines Vollstreckungsauftrags später ein neuer gleichlautender Vollstreckungsauftrag erteilt, kann es sich noch um dieselbe Angelegenheit handeln, also um die Fortsetzung des ursprünglichen Vollstreckungsauftrags. Es kann sich jedoch auch um eine neue selbstständige Angelegenheit handeln. Entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalls.
Erweist sich eine Mobiliarvollstreckung z.B. lediglich deshalb als erfolglos, weil der Schuldner verzogen ist, und wird dann unter der neuen Anschrift des Schuldners ein neuer Vollstreckungsversuch unternommen, so handelt es sich noch um die Fortsetzung der ursprünglichen Vollstreckungsmaßnahme, sodass nur eine einzige Angelegenheit vorliegt.
Gleiches gilt, wenn zunächst unter der Wohnanschrift vollstreckt wird und bei Fruchtlosigkeit dann unter der Geschäftsadresse oder umgekehrt. Auch dann ist nur von einer Angelegenheit auszugehen.
Hier war der erste Vollstreckungsauftrag jedoch erledigt. Der neue Auftrag ist erst viel später erteilt worden, sodass hier nicht mehr von einer Fortsetzung des ursprünglichen Vollstreckungsauftrags, sondern von der Erteilung eines neuen selbstständigen Auftrags ausgegangen werden muss.
Norbert Schneider
AGS 12/2013, S. 579