RVG VV Nr. 4116
Leitsatz
Bei der Berechnung der Zeitdauer für einen Längenzuschlag sind Mittagspausen grundsätzlich mitzurechnen.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.10.2013 – 1 Ws 166/12
1 Sachverhalt
Rechtsanwalt X war im vorliegenden Sicherungsverfahren vor der Großen Strafkammer des LG als Pflichtverteidiger für den Beschuldigten tätig. Die Hauptverhandlung fand in seiner Anwesenheit statt. Die auf 9.00 Uhr anberaumte Sitzung – der Verteidiger war auf diesen Zeitpunkt geladen und auch erschienen – begann um 9.04 Uhr und endete um 15.30 Uhr. Sie wurde von 11.53 Uhr bis 13.30 Uhr für eine Mittagspause unterbrochen.
Der Beschwerdeführer macht mit seiner Kostenrechnung, die sich einschließlich Umsatzsteuer auf insgesamt 1.244,80 EUR beläuft, neben der Terminsgebühr Nrn. 4114, 4115 VV eine zusätzliche Gebühr nach Nr. 4116 VV (Teilnahme an einer erstinstanzlichen Hauptverhandlung vor der Strafkammer von mehr als 5 und bis 8 Stunden) in Höhe von 108,00 EUR geltend. Die Rechtspflegerin des LG erkannte die beantragte Zusatzgebühr mit der Begründung, die sich auf eine Stunde und 37 Minuten belaufende Zeit der Mittagspause sei bei der Berechnung der für den Gebührentatbestand Nr. 4116 VV maßgeblichen Dauer der Hauptverhandlung in Abzug zu bringen, nicht an und setzte – ansonsten dem Antrag des Rechtsanwalts folgend – die an diesen für die erste Instanz zu zahlende Vergütung auf 1.116,28 EUR fest. Die Strafkammer wies – nach Nichtabhilfe durch die Rechtspflegerin und Übertragung der Sache vom Einzelrichter auf die Kammer – die gegen diese Festsetzung form- und fristgerecht eingelegte Erinnerung des Rechtsanwalts zurück. Gegen diesen Beschluss richtet sich die – von der Strafkammer in diesem ausdrücklich zugelassene – Beschwerde des Rechtsanwalts, der die Strafkammer nicht abgeholfen hat. Die Beschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Dem Beschwerdeführer steht die von ihm in Höhe von 108,00 EUR geltend gemachte zusätzliche Terminsgebühr Nr. 4116 VV zu. Die Zeit der Mittagspause ist bei der Ermittlung der für diese Zusatzgebühr maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer nicht in Abzug zu bringen.
1. Nach Nrn. 4116, 4117 VV erhält der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Rechtsanwalt im erstinstanzlichen Verfahren vor der Strafkammer des LG neben der Terminsgebühr Nrn. 4114 oder 4115 VV je Hauptverhandlungstag eine zusätzliche Gebühr, wenn er mehr als fünf und bis acht Stunden (Nr. 4116 VV) oder mehr als acht Stunden (Nr. 4117 VV) an der Hauptverhandlung teilnimmt. Diese Zusatzgebühren betragen nach – vorliegend gem. § 60 Abs. 1 S. 1 RVG zur Anwendung kommendem – bisherigem Recht 108,00 EUR (Nr. 4116 VV) bzw. 216,00 EUR (Nr. 4117 VV) und nach der mit dem 2. KostRMoG vom 23.7.2013 (BGBl 2013 I, 2586) erfolgten, seit 1.8.2013 geltenden Anhebung nunmehr 128,00 EUR (Nr. 4116 VV) bzw. 256,00 EUR (Nr. 4117 VV). Weitere die fünf bzw. acht Stunden übersteigende Dauer der Teilnahme des Verteidigers an der Hauptverhandlung besonders vergütende Gebührentatbestände – sog. Längenzuschläge – finden sich in Teil 4 (Strafsachen) VV für das erstinstanzliche Verfahren vor dem AG in Nrn. 4110, 4111 und vor dem OLG, dem Schwurgericht und besonderen Strafkammern des LG in Nrn. 4122, 4123, für das Berufungsverfahren in Nrn. 4128, 4129 sowie für das Revisionsverfahren in Nrn. 4134, 4135 VV.
2. Die Frage, ob und in welchem Umfang bei der Ermittlung der für diese sog. Längenzuschläge maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer eine – im Sitzungsprotokoll ausdrücklich als solche ausgewiesene oder ersichtlich als solche angeordnete – Mittagspause anzurechnen oder in Abzug zu bringen ist, wird – wie überhaupt die Frage der Berücksichtigung von Verhandlungspausen (zu der insoweit kasuistisch geprägten und wenig übersichtlichen Rspr. vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt RVG 20. Aufl. Nrn. 4108-4111 VV Rn 26 sowie Burhoff in Burhoff (Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., Nr. 4110 VV Rn 14, 15; ferner Hartmann, KostG 43. Aufl. RVG VV 4110, 4111 Rn 2; Hartung in Hartung/Schons/Enders, RVG Nr. 4108-4111 VV Rn 28; instruktiv auch Kotz "Das Leid mit dem Längenzuschlag" NStZ 2009, 414) – in der obergerichtlichen Rspr. nicht einheitlich beantwortet.
So wird von dem wohl überwiegenden Teil der OLG die Auffassung vertreten, dass die Zeit der Mittagspause – soweit sich diese nicht nur auf einen ganz kurzen Zeitraum erstreckt – unabhängig von ihrer Länge grundsätzlich und regelmäßig in vollem Umfang von der Dauer der Hauptverhandlung abzuziehen ist (OLG München StRR, 2009, 199; OLG Oldenburg AGS 2008, 177; OLG Bamberg AGS 2006, 124; OLG Celle NStZ-RR 2007, 391; OLG Koblenz – 2. Strafsenat, NJW 2006, 1149; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2006, 191; differenzierend OLG Jena StRR 2008, 478; KG StRR 2007, 238; OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.3.2012 – 2 Ws 18/12). Teilweise wird auch die Ansicht vertreten, dass Mittagspausen jedenfalls "im Kern" von der Gesamtverhandlungsdauer in Abzug zu bringen sind, wobei diese Pausenkernzeit, also die für eine mittägliche Sitzungsunterbrechung als üblich und angemessen erachtete und demgemäß nicht zu ...