Leitsatz
- Die Darlegungs- und Beweislast für die Notwendigkeit eines (vollständigen) Ausdrucks umfangreicher digitalisierter Strafakten liegt bei dem diese Auslagen geltend machenden Verteidiger.
- Einem Rechtsanwalt ist grundsätzlich zuzumuten, ihm nur in digitalisierter Form überlassene Akten zunächst am Bildschirm daraufhin zu sichten, ob und in welchem Umfang für die sachgerechte Bearbeitung der Sache ein Ausdruck auf Papier geboten ist.
OLG Rostock, Beschl. v. 4.8.2014 – 20 Ws 193/14
1 Sachverhalt
Der Beschwerdeführer ist Pflichtverteidiger des wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung u.a. vor der Staatsschutzkammer des LG Angeschuldigten ... Der Umfang der dem LG vorliegenden Akten einschließlich Sonderbände und Sonderhefte beläuft sich auf über 40.000 Blatt. Dem Verteidiger sind nach Anklageerhebung die Akten (nur) in digitalisierter Form als Pdf-Dokumente komplett auf einem USB-Speicherstick zur Verfügung gestellt worden.
Mit Schreiben vom 13.9.2013 beantragte der Rechtsanwalt beim LG u.a. die vorschussweise Erstattung der Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV für die Herstellung von 44.198 Ablichtungen (gemeint: Ausdrucken) aus den Strafakten in Höhe von 7.045,70 EUR (netto). Auf entsprechende Anforderung begründete er dies unter dem 11.10.2013 damit, ihm seien die Akten vom Gericht nur "elektronisch" zur Verfügung gestellt worden, weshalb er sie ausdrucken müsse, um "effektiv", d.h. durch Anbringung von Anmerkungen und Markierungen damit arbeiten zu können, was anwaltlich versichert werde.
Dem widersprach die von der Kostenbeamtin eingeschaltete Bezirksrevisorin mit Stellungnahme vom 11.11.2013. Sie führt darin unter ausdrücklicher Ablehnung der gegenteiligen Auffassung des OLG Celle (Beschl. v. 28.11.2011 – 1 Ws 451/11 u.a.) im Wesentlichen aus, die Beweislast für die Notwendigkeit des Aktenausdrucks liege bei dem Rechtsanwalt, der die diesbezüglichen Auslagen geltend mache. Mit dem Ausbau der technischen Möglichkeiten hätten sich auch die Bearbeitungsweisen in der Berufswelt geändert. Hierzu gehöre, dass selbst große Textmengen am Bildschirm bearbeitet würden. Auch sei es inzwischen üblich, dass Verteidiger zur Hauptverhandlung einen Laptop mitbrächten, um so erforderlichenfalls auf alle Unterlagen zugreifen zu können. Ferner sei es mittlerweile möglich, mit handelsüblichen Programmen auch an Dokumenten in Pdf-Dateien Lesezeichen, Anmerkungen und Hervorhebungen anzubringen.
Der Rechtsanwalt hat sich dazu mit Schreiben vom 28.11. und 17.12.2013 geäußert. Er trägt ergänzend vor, der Umgang mit "Papierakten" sei im Vergleich zu den nur in elektronischer Form einsehbaren Akten einfacher und zügiger und damit arbeits- und zeitsparender zu bewältigen. Das gelte in besonderem Maße für umfangreiche Akten, weil diese sich, wenn sie in Papierform vorliegen, schneller und einfacher "von Hand" sortieren ließen. Auch müsse es dem Beurteilungsermessen des Rechtsanwalts überlassen bleiben, in welcher Art und Weise er eine Akte bearbeite und wie sie ihm vorgelegt werden müsse, um auf diese Weise von ihm bearbeitet werden zu können. Zudem stelle es eine Benachteiligung des Verteidigers gegenüber dem Gericht und der Staatsanwaltschaft dar, wenn Letztere die Möglichkeit haben, (auch) mit einer Papierakte zu arbeiten, er das jedoch nur mit einem digitalisierten Exemplar tun könne.
Daraufhin wies die Kostenbeamtin am 18.12.2013 unter Hinweis auf ein anhängiges Parallelverfahren, in dem es ebenfalls um die vorschussweise Erstattung der Dokumentenpauschale ging und dessen Ausgang deshalb abgewartet werden solle, im Einvernehmen mit dem Verteidiger zunächst nur die von diesem geltend gemachten Gebühren sowie die Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV in Höhe von insgesamt 495,04 EUR (brutto) zur Zahlung an. Nach Abschluss des anderen Kostenfestsetzungsverfahrens, das – wenn auch aus anderen Gründen als hier in Rede stehend – zugunsten des dortigen Verteidigers ausging, wies die Kostenbeamtin am 11.3.2014 weitere 7.889,34 EUR (brutto) und damit die gesamte beantragte Dokumentenpauschale zur Zahlung an den Verteidiger an und setzte diese mit Beschl. v. 26.3.2014 nachträglich auch förmlich fest, weil die Bezirksrevisorin angekündigt hatte, dagegen Einwendungen erheben zu wollen.
Das geschah mit Schreiben vom 7.4.2014. Darin führt die Bezirksrevisorin im Wesentlichen unter Wiederholung ihrer Stellungnahme vom 11.11.2013 sowie unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Köln v. 11.12.2009 – 2 Ws 496/09 – sinngemäß ergänzend aus, es sei nicht erkennbar, wieso einem Verteidiger nicht zumutbar sei, ihm in digitaler Form überlassene Akten am Bildschirm zu lesen und zu bearbeiten. Schließlich werde in absehbarer Zeit in der gesamten Justiz die "elektronische Akte" eingeführt. In Teilbereichen sei das bereits jetzt der Fall. Was den dortigen Mitarbeitern, die sich bislang auch nicht darüber beklagt hätten, bei der Führung und Bearbeitung einer elektronischen Akte möglich und zumutbar sei, müsse auch für einen Rechtsanwalt gelten.
Das LG hat nach Übertragu...