Leitsatz
- Die Beiordnung eines nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts im Rahmen der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe erfolgt ohne Einschränkung i.S.v. § 121 Abs. 3 ZPO, wenn die Kanzlei des beigeordneten Anwalts nicht weiter vom Prozessgericht entfernt ist als der am weitesten entfernte noch im Gerichtsbezirk gelegene Ort.
- Dies gilt auch dann, wenn sämtliche derzeit im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwälte näher am Gerichtsort residieren.
OLG Bamberg, Beschl. v. 22. 7. 2014 - 2 WF 173/14
1 Anmerkung
Actio non datur non damnificato
Eine Beschwerde ist zulässig, wenn derjenige, der sie führt, beschwert ist. Beschwert war die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin aber nicht, weil ihr das, was sie durch die Entscheidung des OLG (nochmals) erhalten hat, bereits durch das FamG zugebilligt worden war. Ohne Beschwer hat sie sich also bei FamG und OLG beschwert. AG und OLG haben die Beschwerde unzutreffend als zulässig angesehen und das OLG hat ohne Not und Anlass das FamG korrigiert.
Beschwer ist irgendein Nachteil, den das Rechtssystem im Rahmen eines Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelverfahrens geltend zu machen ermöglicht. Benachteiligt war die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin nicht. Weder Anwältin noch Gerichte waren aber in der Lage zu erkennen, dass es den für die Beschwerde erforderlichen Nachteil im Verfahren gar nicht gegeben hat. AG und OLG hätten bei aufmerksamer Würdigung des Sachverhalts die sofortige Beschwerde der Antragstellerin mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig zurückweisen müssen und sich inhaltlich gar nicht mit dem Gegenstand des Verfahrens auseinandersetzen dürfen.
Das FamG hatte die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin "zu den Bedingungen eines in dem Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts" beigeordnet. Gem. § 121 Abs. 3 ZPO kann ein Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Dabei entspricht es einhelliger Auffassung, dass der insoweit beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte seine "weiteren" Reisekosten i.S.d. § 121 Abs. 3 ZPO in vollem Umfang mit der Landeskasse abzurechnen berechtigt ist, wenn der Sitz des Verfahrensbevollmächtigten nicht weiter vom Gerichtsort entfernt ist als der am weitesten entfernte noch im Gerichtsbezirk gelegene Ort. Gleiches gilt betreffend das Abwesenheitsgeld, wenn die Fahrtzeit nicht länger ist als die längste Fahrtzeit von einem innerhalb des Gerichtsbezirks liegenden Ort. Insoweit konnte die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin ihre Reisekosten (13 km + Abwesenheitsgeld) mit der Landeskasse auf der Grundlage der ursprünglichen Beiordnung durch das FamG abrechnen, weil innerhalb des Bezirks Kulmbach eine Gemeinde W. gelegen ist, die mit 25 km Entfernung weiter entfernt vom FamG ist als die außerhalb des Bezirks gelegene Gemeinde B., die Niederlassung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin. Insofern die Reisekosten eines auswärtigen Anwalts im Einzelfall niedriger sind als die möglichen Reisekosten eines im Bezirk niedergelassenen Anwalts, der am weitesten vom Gerichtsort entfernt ist, ist eine einschränkende Beiordnung zwar als gegenstandslos anzusehen und "zur Vermeidung von Missverständnissen zu unterlassen". Allerdings führt die Tenorierung ob ihrer inhaltlichen Gegenstandslosigkeit nicht zu einem Nachteil und der für eine Beschwerde nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO erforderlichen Beschwer.
Lotte Thiel
AGS 12/2014, S. 585 - 586