Leitsatz
Zur Frage, anhand welcher Kriterien der Gegenstandswert im konkreten Fall zu bestimmen ist, wenn jedenfalls sicher ist, dass der Regelwert in einer Kindschaftssache heraufzusetzen ist.
KG, Beschl. v. 3.6.2014 – 13 WF 116/14
1 Aus den Gründen
1. Die im eigenen Namen eingelegte Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Mutter gegen die Verfahrenswertfestsetzung, mit der eine (weitere) Heraufsetzung des vom FamG mit 5.000,00 EUR bereits oberhalb des Regelwertes festgesetzten Verfahrenswerts für ein Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls auf 16.000,00 EUR begehrt wird, ist zulässig (§§ 32 Abs. 2 S. 1 RVG, 59 Abs. 1 FamGKG). Der Rechtsbehelf wurde rechtzeitig angebracht (§§ 59 Abs. 1 S. 3, 55 Abs. 3 S. 2 FamGKG) und auch der Beschwerdewert ist, ausgehend von dem von der Beschwerdeführerin begehrten Wert, überschritten (§ 59 Abs. 1 S. 1 FamFG).
2. In der Sache bleibt die Wertbeschwerde indessen ohne Erfolg: Der Verfahrenswert wurde aus den zutreffenden Erwägungen des FamG im Nichtabhilfebeschluss auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, zu Recht mit 5.000,00 EUR angesetzt.
a) In grundsätzlicher Hinsicht ist zunächst festzuhalten, dass eine Abweichung vom Regelwert in Betracht kommen, wenn der zu entscheidende Fall von einer durchschnittlichen Konstellation wesentlich abweicht; beispielsweise, weil der Arbeitsaufwand des FamG aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles das in durchschnittlichen Kindesgefährdungssachen übliche Maß deutlich übersteigt, etwa, weil sich die Sachverhaltsaufklärung besonders (arbeits- oder zeit-) aufwändig gestaltet, oder weil ein umfangreiches Sachverständigengutachten einzuholen und mehrere Anhörungstermine erforderlich sind (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 19.9.2011 – 6 WF 307/11, FuR 2011, 72; OLG Celle, Beschl. v. 11.2.2011 – 10 WF 399/10, NJW 2011, 1373), weil das Verfahren aufgrund eines außergewöhnlichen Konfliktpotentials der Beteiligten für das FamG nur mit einem deutlichen Mehraufwand an Zeit-, Arbeits- und Ressourceneinsatz bewältigt werden kann oder schließlich, weil das Verfahren mehrere Kinder betrifft, deren persönlichen Verhältnisse sich erheblich voneinander unterscheiden, weil etwa die Kinder auf unterschiedliche Pflegestellen bzw. Heime verteilt sind und auch keine anderweitigen Gesichtspunkte vorhanden sind, die dazu beitragen können, eine ansonsten gebotene Heraufsetzung des Wertes wieder zu relativieren wie beispielsweise, dass die Akte gleichwohl insgesamt einen eher geringen Umfang aufweist (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 27.4.2012 – 2 WF 64/12, FamRZ 2012, 1971: Aktenumfang von 168 Blatt, Einholung eines Sachverständigengutachtens und Durchführung von zwei Anhörungsterminen rechtfertigt nicht stets eine Anhebung des Regelwerts) oder die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beteiligten Zurückhaltung gebieten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.3.2011 – 5 WF 6/11, RVG Report 2011, 347 [bei juris Rn 5]; KG, Beschl. v. 10.1.2011 – 17 UF 225/10, FamRZ 2011, 825 [bei juris Rn 8]) oder schließlich, weil die Sache aus sonstigen Gründen nur geringe Bedeutung hat (vgl. zum Ganzen ausführlich Kammergericht, Beschl. v. 25.9.2012 – 17 WF 268/12 -, FamRZ 2013, 723 [bei juris Rn 4] sowie Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht [6. Aufl. 2014], § 10 Rn 44; Meyer, GKG/FamGKG [14. Aufl. 2014], § 45 FamGKG Rn 3 f. [beide jeweils unter Bezugnahme auf KG, Beschl. v. 25.9.2012, a.a.O.]).
b) Zu der sich daran anschließenden Frage, welcher Wert festzusetzen ist, wenn im Einzelfall nach Maßgabe der vorstehend geschilderten Kriterien eine Heraufsetzung des Regelwertes grundsätzlich in Betracht kommt, finden sich in der Lit. und der Rspr. nur verhältnismäßig wenig Hinweise:
(aa) In der Lit. wird auf die besonderen Umstände des Einzelfalles abgestellt und im Übrigen lediglich aufgezeigt, welche Umstände geeignet sind, eine Abweichung vom Regelwert zu rechtfertigen, ohne dass dargelegt würde, welcher Wert stattdessen in Betracht kommen sollte bzw. mit welchem Faktor der Regelwert ggf. zu vervielfältigen wäre (vgl. etwa Schneider/Volpert/Fölsch/Türck-Brocker, FamGKG [2. Aufl. 2014], § 45 Rn 19 ff.; Münchener Anwaltshandbuch/Groß [4. Aufl. 2014], § 36 Rn 156; Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht [6. Aufl. 2014], § 10 Rn 44; Hartmann, KostG [44. Aufl. 2014], § 45 FamGKG Rn 9).
(bb) Auch in der veröffentlichten Rspr. finden sich hierzu – soweit ersichtlich – kaum grundsätzliche Ausführungen. Das OLG Hamm (Beschl. v. 27.4.2012 -2 WF 64/12, FamRZ 2012, 1971 [bei juris Rn 5]) hebt hervor, dass auf die besonderen Umstände des Einzelfalles abzustellen sei. Das OLG Celle (Beschl. v. 11.2.2014 – 10 UF 311/13 [bislang erst in juris veröffentlicht; dort Rn 23]) hat in einer Hausratssache und der Frage nach einer Heraufsetzung des Regelwertes gem. § 48 Abs. 3 FamGKG darauf verwiesen, die Feststellung, dass der Regelwert sich im Einzelfall als unbillig erweise, könne nur zu einer "angemessenen” Heraufsetzung führen; selbst bei besonders guten wirtschaftlichen Verhältnissen der Beteiligten sei eine Verzehnfachung...