Leitsatz
Lehnt die Familienkasse trotz vollen oder teilweisen Obsiegens im Einspruchsverfahren eine Kostenerstattung nach § 77 EStG ab, findet auch im Klageverfahren wegen der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Kostenerstattung die sozialpolitisch motivierte Kostenprivilegierung für Kindergeldangelegenheiten nach § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG, sofern der streitige Erstattungsanspruch unterhalb des Mindeststreitwerts von 1.500,00 EUR liegt, Anwendung.
FG Münster, Beschl. v. 23.12.2013 – 4 Ko 4071/13 GK
1 Sachverhalt
Die Erinnerungsführerin erhob Klage gegen die Bundesagentur für Arbeit (Familienkasse Nordrhein-Westfalen) und beanspruchte eine Kostenerstattung für ihre im Einspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen (§ 77 EStG); diese betrugen unstreitig 272,87 EUR. Die Erstattung hatte die Familienkasse zuvor in der Einspruchsentscheidung abgelehnt. Das Verfahren wurde unter dem Az. 4 K 3453/13 Kg geführt. Nach einem richterlichen Hinweis, dass die Klage unzulässig sei, da die Erinnerungsführerin hinsichtlich der Kostenerstattung (noch) kein außergerichtliches Vorverfahren durchgeführt habe, nahm diese die Klage zurück. Im Einstellungsbeschluss stellte das Gericht fest, dass die Erinnerungsführerin die Kosten des Verfahrens zu tragen habe (§ 136 Abs. 2 FGO).
Die Urkundsbeamtin legte für die Kostenfestsetzung den für Verfahrenseingänge ab dem 1.8.2013 grundsätzlich geltenden Mindeststreitwert von 1.500,00 EUR zugrunde (§ 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG n.F.). Auf Grundlage dieses Gegenstandswerts erließ die Oberjustizkasse Hamm eine Gerichtskostenrechnung über 142,00 EUR.
Hiergegen wendet sich die Erinnerungsführerin mit ihrer Erinnerung. Es sei – so die Begründung – nicht der Mindeststreitwert, sondern der Wert anzusetzen, der dem Klageinteresse entsprochen habe. Sie, die Erinnerungsführerin, habe im Verfahren 4 K 3453/13 Kg beansprucht, dass ihr die außergerichtlichen Kosten für die Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten im Einspruchsverfahren in Höhe von insgesamt 272,87 EUR ersetzt würden (§ 77 EStG). Demnach betrüge der Streitwert auch nur 272,87 EUR.
Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Sie vertritt die Auffassung, dass im vorliegenden Verfahren der Mindeststreitwert von 1.500,00 EUR Anwendung finde. Es handele sich nicht um ein Verfahren in "Kindergeldangelegenheiten", sondern vorrangig um ein solches betreffend die Kostentragungspflicht.
2 Aus den Gründen
Die Erinnerung, über die der nach § 66 Abs. 6 S. 1 Hs. 1 GKG zuständige Einzelrichter zu entscheiden hat, ist begründet. Die Gerichtskostenrechnung ist dahingehend abzuändern, dass lediglich ein Gegenstandswert von 272,87 EUR zugrunde gelegt wird.
In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 S. 1 GKG). Zwecks Sicherung der Kostendeckungsquote wird in den Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit bei niedrigen Streitwerten allerdings ein sog. Mindeststreitwert zugrunde gelegt, der bei Verfahrenseingängen bis zum 31.7.2013 1.000,00 EUR betrug (§ 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG a.F.). Durch das 2. KostRMoG v. 23.7.2013 (BGBl I 2013, 2586) wurde der Mindeststreitwert bei Verfahrenseingängen ab dem 1.8.2013 auf 1.500,00 EUR angehoben. Ausgenommen von der Mindeststreitwertregelung sind nunmehr allerdings – anders als nach altem Recht – u.a. "Verfahren in Kindergeldangelegenheiten" (vgl. § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG n.F.). Für diese Verfahren bleibt es bei den o.g. allgemeinen Grundsätzen. Die kostenmäßige Privilegierung der Kindergeldangelegenheiten erfolgte aus sozialpolitischen Erwägungen (BT-Drucks 17/11471, 246). Kläger, die regelmäßig auf Kindergeldzahlungen angewiesen sind, sollen nach der Vorstellung des Gesetzgebers dann nicht mit hohen Gerichtskosten belegt werden, wenn sie lediglich einen Zahlungsanspruch für einen begrenzten Zeitraum geltend machen, der unterhalb des Mindeststreitwerts liegt; gleiches gilt bei der Anfechtung von (geringen) Rückzahlungsansprüchen (vgl. Schneider/Thiel, Anwaltsblatt Online 2013, 298, 301).
Nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsgrundsätze handelte es sich auch beim Verfahren 4 K 3453/13 Kg um ein solches in "Kindergeldangelegenheiten". Bereits der Wortlaut des § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG, der die Nichtanwendbarkeit des Mindeststreitwerts schlicht für die "Verfahren in Kindergeldangelegenheiten" regelt, spricht hierfür. Das Kindergeldrecht ist im X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes geregelt (§§ 62 ff. EStG). Neben der persönlichen (§§ 62, 74 EStG) und sachlichen (§§ 63 bis 65 EStG) Berechtigung, der Regelung zur Höhe des Kindergeldes (§ 66 EStG) und den verfahrensrechtlichen Vorschriften (§§ 67 ff., 75, 76 EStG) enthält der X. Abschnitt auch den Anspruch des Kindergeldberechtigten auf Erstattung seiner die Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteid...