aa) Überblick
Hat der Mandant seinen Sitz oder Wohnsitz im Gerichtsbezirk, beauftragt er aber einen Anwalt, der seine Kanzlei nicht im Gerichtsbezirk unterhält und dort auch nicht wohnt, so greift die Rspr. des BGH zum Anwalt am Sitz der Partei (s.o. unter II.3.b)) nicht. Es ist jetzt eine weitergehende Notwendigkeitsprüfung durchzuführen (§ 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO).
Die Rspr. nimmt hier nur in besonderen Fällen eine Erstattungsfähigkeit an, etwa dann, wenn zu dem auswärtigen Anwalt ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht oder es sich um einen besonderen Spezialisten handelt und ein solcher im Gerichtsbezirk nicht zu finden ist.
bb) Notwendigkeit wird bejaht
War die Hinzuziehung des auswärtigen Anwalts notwendig, so sind dessen Reisekosten in voller Höhe zu erstatten.
cc) Notwendigkeit wird verneint
Ergibt die Prüfung, dass die Hinzuziehung eines auswärtigen Anwalts nicht notwendig war, führt dies nach der ganz überwiegenden Rspr. allerdings nicht zum völligen Ausschluss der Kostenerstattung. Vielmehr sind die Kosten dieses Anwalts dann zu erstatten bis zur Höhe der erstattungsfähigen Kosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts. Dabei ist auf die höchstmögliche Entfernung abzustellen, also auf den vom Gericht am weitesten entfernten Ort innerhalb des Gerichtsbezirks. Ob dort tatsächlich ein Anwalt ansässig ist, ist unerheblich. Maßgebend ist insoweit stets der Bezirk des Gerichts, vor dem der Anwalt tätig wird. Daher ist vor dem AG auf den Amtsgerichtsbezirk abzustellen, vor dem LG auf den Landgerichtsbezirk und vor dem OLG auf den OLG-Bezirk.
Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines nicht im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts
1. |
Die Reisekosten eines am Wohnort bzw. Sitz der Partei ansässigen Rechtsanwalts sind regelmäßig zu erstatten. |
2. |
Gleiches gilt auch für das Abwesenheitsgeld. |
3. |
Beauftragt die im Gerichtsbezirk ansässige Partei einen Anwalt außerhalb des Gerichtsbezirks, sind dessen Reisekosten ab bzw. bis zur Gerichtsbezirksgrenze erstattungsfähig, um eine Ungleichbehandlung zwischen im Gerichtsbezirk ansässigen und nicht im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwälten zu vermeiden. |
AG Kiel, Beschl. v. 14.2.2013 – 59 F 12/11
Erstattung der Reisekosten eines auswärtigen Anwalts
Beauftragt eine Partei einen außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwalt, so sind dessen Reisekosten für die Entfernung vom Gericht bis zur Gerichtsbezirksgrenze auch dann gem. § 91 Abs. 2 ZPO erstattungsfähig, wenn die Partei ihren Wohnsitz innerhalb des Gerichtsbezirks hat.
AG Marbach am Neckar, Beschl. v. 6.11.2013 – 3 C 32/12
Erstattung der Reisekosten eines auswärtigen Anwalts
Beauftragt die im Gerichtsbezirk ansässige Partei einen außerhalb des Gerichtsbezirks niedergelassenen Rechtsanwalt, so sind dessen tatsächliche Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks erstattungsfähig.
LG Düsseldorf, Beschl. v. 18.12.2014 – 6 O 455/11
Reisekostenerstattung für nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Anwalt
Die tatsächlichen Reisekosten eines nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen oder am Gerichtsort wohnhaften Rechtsanwalts sind bis zu der Höhe zu erstatten, die sich für einen im Bezirk des jeweiligen Prozessgerichts niedergelassenen oder wohnhaften Rechtsanwalt bei der weitesten Entfernung innerhalb des Bezirks errechnet.
OLG Schleswig, Beschl. v. 24.7.2015 – 9 W 26/15
Lediglich das OLG Celle ist anderer Auffassung.
Reisekosten des auswärtigen Anwalts
Beauftragt die im Gerichtsbezirk ansässige Partei einen außerhalb des Gerichtsbezirks niedergelassenen Rechtsanwalt, so sind dessen tatsächliche Reisekosten regelmäßig nicht bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks erstattungsfähig, sondern lediglich bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohnsitz der Partei ansässigen Prozessbevollmächtigten.
OLG Celle, Beschl. v. 22.6.2015 – 2 W 150/15
Das OLG Celle beruft sich dabei auf eine Entscheidung des BGH, der diese Rechtsfrage allerdings nicht entschieden hat. Als Rechtsbeschwerdegericht ist der BGH nur dazu berufen, die angefochtene Entscheidung im Rahmen der Rechtsbeschwerdebegründung zu überprüfen. Im zugrunde liegenden Verfahren war aber mit der Rechtsbeschwerde nur die Frage der Notwendigkeit zur Entscheidung gestellt worden, nicht die Frage des Umfangs. Abgesehen davon waren zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks keine Tatsachen vorgetragen worden, sodass der BGH als reines Rechtsbeschwerdegericht hier ohnehin keine Feststellungen hätte treffen können.
Die zutreffende Rspr. – insbesondere das LG Düsseldorf und OLG Schleswig – weist zu Recht darauf hin, dass anderenfalls in mehrfacher Hinsicht eine Ungleichbehandlung erfolgen würde.
So ist es in der Tat nicht nachzuvollziehen, dass ein Anwalt, dessen Kanzlei 100 km vom Gericht entfernt, aber noch im Gerichtsbezirk liegt, die volle Reisekostenerstattung erhält, während ein Anwalt, der seine Kanzlei nur 20 km vom Gericht entfernt hat, bei der Kostenerstattung ausgeschlossen wäre, weil sein...