Guten Morgen, Amtsgericht Walsrode! Aufwachen und gut aufpassen!
In dieser Zeitschrift hatte man leider des Öfteren Veranlassung, sich kritisch mit Urteilen des AG Walsrode auseinanderzusetzen, die sich schon seinerzeit mit bemerkenswerter Penetranz und Arroganz über Beurteilungen des eigenen Obergerichts hinwegsetzten und es verstanden, die vom Gesetzgeber so sinnvoll gestaltete Geschäftsgebühr buchstäblich in ein "Nichts" zu verwandeln.
Mit Sophistereien und Wortklauberei erster Güte verstand man es beim dortigen Amtsgericht, den unglücklichen Rechtsanwälten, die das Pech hatten, dort tätig sein zu müssen, wohlverdiente Gebühren zu nehmen.
Die argumentative Vorgehensweise war so einfach wie im Wesentlichen falsch:
Befand sich der Schuldner zum Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts noch nicht in Zahlungsverzug und löste erst das erste Anwaltsschreiben den Zahlungsverzug aus, so fehlte es – und das hat in der Tat natürlich nach wie vor seine Richtigkeit – an einer Anspruchsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch des Gläubigers.
Hierauf hätte der Rechtsanwalt seinen eigenen Mandanten aber hinweisen müssen (so das Amtsgericht dann weiter), so dass er unter Schadensersatzgesichtspunkten auch seinen Honoraranspruch gegenüber seinem Mandanten verliert. Auch Letzteres lässt sich sicherlich vertreten, und der kompetente Rechtsanwalt ist gut beraten, wenn er auf solche Erstattungsprobleme hinweist und den Mandanten in der Tat rät, zunächst einmal selbst außergerichtlich zu mahnen, soweit noch kein Verzug eingetreten ist.
Falsch und geradezu wirr wird es aber, wenn man sich in Walsrode mit der Fallgestaltung auseinandersetzt, die nunmehr der BGH dankenswerterweise geradezu vorbildlich durchdekliniert:
Hat der zahlungsunwillige oder zahlungsunfähige Schuldner auf eine Mahnung nicht reagiert, so ist es selbstverständlich sehr wohl geboten, zunächst einen Rechtsanwalt mit der außergerichtlichen Vertretung zu beauftragen, folgt man damit doch dem erklärten Willen des Gesetzgebers, die Gerichte durch anwaltliche Tätigkeit im außergerichtlichen Bereich zu entlasten. Und dann ist der Schuldner natürlich auch verpflichtet, die außergerichtlich verdiente Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV zu erstatten.
Und hier setzt das merkwürdige und so oft kritisierte Rechtsverständnis des Amtsgerichts Walsrode ein, mit der man die Geschäftsgebühr auch bei dieser eindeutigen Fallgestaltung buchstäblich verschwinden lassen will:
Es gäbe, so das AG Walsrode – allen Statistiken zum Trotz – keine Erkenntnisse dahingehend, dass ein Schuldner auf eine anwaltliche Mahnung anders reagiere als auf die eigene Mahnung des Gläubigers. Demgemäß sei ein außergerichtliches Mandat bei säumigen Schuldnern völlig unsinnig und verstoße insbesondere gegen die Schadensminderungspflicht aus § 254 BGB. Vielmehr müsse (!!!) sich jeder Rechtsanwalt sofort einen bedingten Klageauftrag erteilen lassen, der im Falle einer erfolgreichen anwaltlichen Mahnung lediglich die Gebühr nach Nr. 3101 VV in Höhe von 0,8 auslöse und bei Nichtzahlung zu einem unbedingten Klageauftrag werde, bei der nur die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV entstehe.
Bei richtiger Handlungsweise könne der Rechtsanwalt von seinem Mandanten eine Geschäftsgebühr also nicht verlangen und der Schuldner müsse eine solche auch nicht erstatten.
Dieser Verdrehung des gesetzgeberischen Willens tritt der BGH nunmehr mit kaum zu überbietender Deutlichkeit entgegen, und geradezu lehrbuchhaft wird dem betroffenen Berufungsgericht und den hoffentlich aufmerksam lesenden Richterinnen und Richter beim AG Walsrode vor Augen geführt, dass es sich auch beim RVG um ein Gesetz handelt, das anzuwenden ist.
Besonders zu begrüßen ist die Feststellung des BGH, dass es jeder Schuldner in der Hand hat, "sich vertragstreu zu verhalten und auf diese Weise den materiellen Kostenerstattungsanspruch des Gläubigers gar nicht erst zur Entstehung gelangen zu lassen".
Allein dieser Satz kann gar nicht oft genug unterstrichen und gar nicht oft genug – möglichst in Fettdruck – wiederholt werden.
Dass mit dieser zutreffenden Beurteilung der Verbraucherschutz übrigens keineswegs eingeschränkt wird, zeigt sich an der zutreffenden Einschätzung der Situation des Gläubigers.
Nachvollziehbar wird dort geschildert, dass ein Gläubiger in der Regel nicht rechtskundig ist und demgemäß auch nicht wissen kann, wie man auf unterschiedliche Verhaltensweisen von Schuldnern "richtig" reagiert.
Zutreffend wird dem Gläubiger zugestanden, dass er regelmäßig in der Tat nicht weiß, dass ein Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt werden oder ein Klageauftrag unbedingt oder bedingt erteilt werden kann. Und weil dies so ist, steht dem Gläubiger, jedenfalls dann, wenn er selbst außergerichtlich erfolglos gemahnt hat, anwaltliche Hilfe zu; wenn dem so ist, so bedarf es nicht einer gesondert zu honorierenden Zweckmäßigkeitsberatung, sondern der Mandant kann den Rechtsanwalt unmittelbar beauftragen, ihn zu vertreten.
Bei ...