Der Mandant von heute ist der Feind von morgen!

Dieser bewusst höchst polemisch formulierte Satz dürfte inzwischen eigentlich jeder Rechtsanwalt in dieser oder in einer etwas abgeschwächteren Form gehört oder dessen Richtigkeit selbst schon einmal erfahren haben.

Lässt man den Satz allerdings etwas selbstkritisch nachklingen, so gelangt man eigentlich als Volljurist unschwer zu dem Ergebnis, dass der (ehemalige) Mandant oft nur deshalb – und dann auch noch erfolgreich – zum Gegner mutieren kann, weil man ihn zuvor – durch eigene Nachlässigkeit – geradezu munitioniert hat!

Es ist in dieser Zeitschrift schon geradezu gebetsmühlenartig wiederholt worden:

Wer seine eigenen Interessen nicht mit der gleichen Sorgfalt vertritt, wie (hoffentlich) die des Mandanten, muss auf den Schaden nicht lange warten und wer auch heute noch meint, das Thema Honorar ausschließlich dem Fachpersonal überlassen zu können, dem sei auch hier – sicherlich nicht zum letzten Mal – empfohlen:

Wegen Unverträglichkeiten und Nebenwirkungen

fragen Sie Ihren Gebührenexperten oder den BGH!

Die Entscheidung des BGH vom 22.10.2015 ist eigentlich keine Überraschung und setzt nur konsequent das fort, was sich in den letzten Jahren in diversen Entscheidungen bereits nachlesen ließ:

Es ist Aufgabe des rechtskundigen Rechtsanwaltes, für klare Verhältnisse bei der Honorarfrage Sorge zu tragen, und Unsicherheiten gehen – jedenfalls in der Regel – stets zu Lasten des Rechtsanwalts.

Angesichts des an Deutlichkeit kaum zu überbietenden Gesetzestextes in § 3a RVG und der umfangreichen Rechtsprechung und Literatur, die hierzu vorzufinden ist, will man es fast gar nicht glauben, dass sich ein Rechtsanwalt auch heute noch vom Abschluss einer formfehlerfreien Honorarvereinbarung dadurch abbringen lässt, dass der Mandant gewissermaßen sein Ehrenwort als ausreichenden Ersatz anbietet.

Wer hierauf hereinfällt, aus welchen Gründen auch immer, dem ist in der Tat nicht zu helfen.

Erfreulicherweise arbeitet der BGH in der Entscheidung vom 22.10.2015 noch etwas deutlicher als in der Entscheidung vom 5.6.2014[1] heraus, dass es durchaus Fallgestaltungen geben mag, die dem Rechtsanwalt trotz fehlerhafter Vergütungsvereinbarung den vereinbarten Vergütungsanspruch in voller Höhe belassen. Dann nämlich, wenn der Mandant auf die Fehlerhaftigkeit der Vergütungsvereinbarung arglistig (und ohne dass der Rechtsanwalt dies ohne Weiteres Erkennen konnte) hingewirkt hat, etwa durch falsche Angaben über seine Einkommensverhältnisse bei Abschluss eines Erfolgshonorars, oder wenn der Rechtsanwalt vom Mandanten zum Abschluss der fehlerhaften Vereinbarung "in einer Weise bedrängt" wurde, die "es untragbar erscheinen ließe", den Anwalt auf die gesetzlichen Gebühren zu verweisen.[2]

Zu Recht vermochte der BGH in dem hier zu beurteilenden Fall eine solche Konstellation nicht festzustellen, und ebenso wird zutreffend herausgearbeitet, dass der Hinweis des Mandanten, die Zahlung von Gebühren sei eine Frage der Ehre, viele Auslegungsmöglichkeiten zulässt, so dass die missliche Situation des Rechtsanwalts wohl eindeutig mehr dem Leichtsinn der rechtskundigen Person geschuldet sei, als einem rechtlich beachtlichen Fehlverhalten des Mandanten.

Kann man sich einen Rechtsanwalt vorstellen, der bei einem Grundstückskaufvertrag auf die notarielle Beurkundung verzichtet und den Kaufpreis entrichtet, weil der Verkäufer treuherzig erklärt hat, Notarkosten könne man doch sicherlich sparen, da es unter Ehrenmännern doch selbstverständlich sei, auch "Handschlagsgeschäfte" zu erfüllen. Wohl kaum, und dass sich Rechtsanwälte bei Vergütungsvereinbarungen wieder und wieder anders verhalten, ist wohl nur damit zu erklären, dass man das RVG dem BGB gegenüber anscheinend als minderwertig betrachtet. Dass dies ein gravierender Fehler und eine Rechtsauffassung ist, die der BGH gerade nicht teilt, wird nicht nur durch die hier besprochene Entscheidung belegt.[3]

Die Entscheidung kann auch nicht etwa als anwaltsfeindlich oder auch nur anwaltsunfreundlich bezeichnet werden.

Der BGH folgt nur dem Grundsatz, dass jedes Gesetz auch anzuwenden ist, auch wenn es sich um das RVG handelt. Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass das Formerfordernis von § 3a Abs. 1 S. 1 RVG neben Beweiszwecken und der Information der Beteiligten auch eine Warnfunktion im Blick auf die Abweichung von den gesetzlichen Gebühren habe und dass man nun wirklich nicht davon ausgehen könne, dass ein Mandant auf diese Schutzfunktion ohne Weiteres verzichten will.

Zwischen den Zeilen kann man freilich auch herauslesen, dass die Textform ja eigentlich auch eine Hilfestellung für den Rechtsanwalt ist, der hierdurch nicht nur seinen Beratungs- und Hinweispflichten dokumentiert nachkommen kann, sondern gleichzeitig Zweifel und Unsicherheiten zu seinen Lasten vermeidet, wenn er denn nur, ja wenn er denn nur dem Gesetzestext folgt.

Sehr nachvollziehbar und überzeugend sind schließlich auch die Ausführungen zu § 814 BGB, eine Vorschrift, nach der zuvor nachlässig arbeitende...

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