BGB § 1568a Abs. 3 Nr. 1; FamFG §§ 112 Nr. 3, 113 Abs. 1 S. 2, 200, 266 Abs. 1 Nr. 3
Leitsatz
- Wird eine Familienstreitsache vom FamG irrtümlich als Familiensache der Freiweilligen Gerichtsbarkeit behandelt, ist die Kostenentscheidung nach dem Meistbegünstigungsprinzip (auch) unter den Voraussetzungen des FamG anfechtbar.
- Der Wert eines Verfahrens, mit dem ein Ehegatte vom anderen die Abgabe einer gemeinsamen Erklärung i.S.d. § 1568a Abs., 3 Nr. 1 BGB gegenüber dem Vermieter verlangt, richtet sich nach § 42 Abs. 1 FamFG und orientiert sich an der Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller bei fortdauernder gesamtschuldnerischer Haftung gegenüber dem Vermieter tatsächlich von diesem in Anspruch genommen wird.
OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 6.10.2017 – 8 WF 7/17
1 Sachverhalt
Der von der Antragsgegnerin rechtskräftig geschiedene Antragsteller hatte beantragt, diese zu verpflichten, mit ihm gemeinsam gegenüber dem Vermieter der vormaligen Ehewohnung zu erklären, dass die Wohnung der Antragsgegnerin zur weiteren alleinigen Nutzung überlassen werde. Das FamG hat das Verfahren als Ehewohnungssache gem. § 200 FamFG behandelt. Nach Abgabe der geforderten Erklärung durch die Antragsgegnerin hat der Antragsteller die Hauptsache für erledigt erklärt. Das FamG hat daraufhin der Antragsgegnerin unter Berufung auf § 81 FamFG die Kosten des Verfahrens auferlegt und den Verfahrenswert gem. § 48 Abs. 1 FamGKG auf 4.000,00 EUR festgesetzt. Gleichzeitig erteilte das Gericht eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach gegen die Entscheidung binnen eines Monats beim FamG Beschwerde eingelegt werden könne. Daraufhin hat die Antragsgegnerin persönlich Beschwerde gegen die Kostenentscheidung erhoben. Das OLG hat die Kostenentscheidung aufgehoben und die Sache an das FamG zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht als solche nach den §§ 58 ff. FamFG statthaft, sondern als sofortige Beschwerde i.S.d. §§ 91a Abs. 2, 567 ff. ZPO, §§ 113 Abs. 1 S. 2, 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG zu behandeln, weil als solche statthaft und auch sonst zulässig. Hierüber entscheidet der Senat durch seinen Einzelrichter, vgl. § 568 ZPO.
Denn das vom FamG auf den Antrag des Antragstellers angewandte Verfahren der Wohnungszuweisung i.S.d. § 200 FamFG wurde unzutreffend gewählt, weil es sich bei diesem Antrag tatsächlich um eine Familienstreitsache, § 112 Nr. 3 FamFG, im Sinne einer sonstigen Familiensache i.S.d. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG handelte.
Die Behandlung als Wohnungszuweisungssache ergibt sich vorliegend für den Senat daraus, dass die Zustellung der Antragsschrift am 21.4.2017 ohne weitere Verfahrensförderung verfügt wurde (bei Annahme einer Streitsache wäre das schriftliche Vorverfahren bzw. früher erster Termin anzuordnen gewesen, §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 275 f. ZPO), am 23.5.2017 die Anordnung eines Erörterungstermins bestimmt wurde (anderenfalls Termin zur mündlichen Verhandlung, §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 272 Abs. 1 ZPO) bzw. in dem angefochtenen Beschluss die Kostenverteilung auf § 81 FamFG sowie die Wertfestsetzung auf § 48 FamGKG gestützt wurden (anderenfalls § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 91a Abs. 1 ZPO bzw. § 42 FamGKG).
Indes liegt eine Familienstreitsache vor: Denn der Antragsteller verfolgt mit seinem Antrag nicht die von § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB ausgehende Auswirkung einer übereinstimmenden Erklärung der (geschiedenen) Ehegatten gegenüber dem gemeinsamen Vermieter, sondern er verfolgt einen ggfs. im Innenverhältnis der Beteiligten bestehenden Anspruch auf Mitwirkung an einer solchen das gemeinsam begründete Außenverhältnis umgestaltenden Erklärung. Ein solcher Anspruch kann sich – vor Scheidung – aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB ergeben, nach Scheidung aus den §§ 723 ff., 749 ff. BGB, je nachdem, ob die Ehegatten mit der gemeinsamen Eingehung eines Mietvertrages im Innenverhältnis eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Bruchteilsgemeinschaft (zum Halten der sich aus dem Mietvertrag ergebenden Rechte und Pflichten) begründeten (oder ein sonstiges Rechtsverhältnis), vergl. OLG Hamm FamRZ 2016, 1688; AG Rastatt FamRZ 2015, 1499, Palandt/Brudermüller, § 1568a BGB, Rn 12).
Insoweit hätte das FamG im Fall der übereinstimmenden Erledigungserklärung hinsichtlich des Antrages vom 28.3.2017 eine Kostengrundentscheidung i.S.d. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 91a Abs. 1 ZPO treffen müssen, im Falle der nur einseitigen Erledigungserklärung wäre das Verfahren als Feststellungsverfahren, dass der Antrag ursprünglich zulässig und begründet war sowie sich nach Rechtshängigkeit in der Sache erledigte, fortzuführen gewesen. Vorliegend ging das FamG erkennbar davon aus, nur noch über die Verfahrenskosten befinden zu müssen; in diesem Fall wäre die zutreffende Entscheidungsform ein Beschluss nach den § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 91a Abs. 1 ZPO gewesen (ob dessen Voraussetzungen tatsächlich vorlagen, ist eine Frage der Begründet der sofortigen Beschwerde).
Keinesfalls kam aber eine Kostenentscheidung nach den §§ 83 Abs. 2, 81 FamFG mittels eines Beschlusses nach § 38 FamFG in Betracht, der der e...