Die Entscheidung ist m.E. unzutreffend.
Soweit sich das LG auf die Entstehungsgeschichte der Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV beruft, sei darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber ursprünglich nicht einmal die Mitwirkung bei der Gestaltung von Verträgen als Geschäftstätigkeit ansehen wollte, sondern auch dies der Beratung zugeordnet werden sollte. Erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ist dann für das Mitwirken bei der Gestaltung von Verträgen die Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV erweitert worden. Von daher ist die Unterstellung, die Geschäftsgebühr solle auch weiterhin das Entwerfen von Urkunden abdecken, unzutreffend.
Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV spricht ausdrücklich von der Mitwirkung bei der Gestaltung von "Verträgen". Bei zwei einzelnen Testamenten handelt es sich aber ebenso wenig um einen Vertrag, wie bei einem wechselbezüglichen Testament. Die anders lautende Interpretation des LG Wiesbaden stellt das BGB auf den Kopf. In § 1941 BGB ist ausdrücklich der Erbvertrag und in § 1937 BGB ausdrücklich das Testament (als einseitige Verfügung) vorgesehen. Wenn die Parteien nun aber keinen Erbvertrag, sondern zwei wechselbezügliche Testamente wollen, dann ist dies hinzunehmen. Der Auftrag der Parteien ist dann eben gerade nicht auf die Gestaltung eines Vertrages gerichtet und fällt damit in den Bereich der Beratungsgebühr.
Der Entwurf von Testamenten erfüllt nicht die Voraussetzungen der Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV. Es handelt sich vielmehr um eine reine Tätigkeit im Innenverhältnis, die zwischen Anwalt und Auftraggeber stattfindet. Es fehlt an der Außenwirkung, so dass damit keine Geschäftsgebühr vorliegt.
Diese klare Abgrenzung zwischen Urkunde und Vertrag läuft auch nicht den Interessen der Anwaltschaft zuwider; im Gegenteil. Während für die Geschäftsgebühr ein Gebührenrahmen von 0,5 bis maximal 2,5 vorgesehen ist und sich diese Gebühr zwingend nach dem Gegenstandswert richtet, also nach dem gegenwärtigen Vermögen der bzw. des Verfügenden (§ 23 Abs. 3 S. 1 RVG i.V.m. § 102 Abs. 1 GNotKG), kann und soll die Höhe der Vergütung für eine Beratung vom Anwalt mit dem Auftraggeber frei ausgehandelt werden (§ 34 Abs. 1 S. 1 RVG), und zwar ohne dass die strengen Voraussetzungen des § 3a Abs. 1 S. 1 u. 2 RVG erfüllt werden müssen (§ 3a Abs. 1 S. 4 RVG). Die Gestaltung der Vergütung ist hier flexibel möglich und kann sich an Aufwand, Schwierigkeit und Haftung orientieren. Auch bei (derzeit u. U. noch) geringen Vermögenswerten kann nämlich der Aufwand für die Erstellung eines Testaments erheblich sein und sich mit einer Geschäftsgebühr nicht abdecken lassen.
Praxistipp
In Anbetracht der unklaren Rechtslage ist ein Anwalt, der im Rahmen der Testamentsgestaltung tätig wird, gut beraten, mit dem Mandanten eine Vereinbarung zu treffen, um jeglichen Abrechnungsproblemen aus dem Weg zu gehen.
Norbert Schneider
AGS 12/2017, S. 556 - 559